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Vom Sehen zum Fühlen
Sehbehinderte Menschen sind zum Lesen auf ihren Tastsinn angewiesen. Die gebräuchliche tastbare Schrift ist die Brailleschrift, benannt nach ihrem Erfinder Louis Braille. Entstanden 1825, kann sie bald ihr 200-Jahr-Jubiläum feiern.
13.12.2019
Bei der Brailleschrift handelt es sich um eine Punktschrift. Jedem Zeichen entspricht ein Punktmuster, das von hinten in das Papier eingedrückt wird und somit auf der Papiervorderseite als Erhebung tastbar ist. Den Raster für die Punktmuster bilden sechs Punkte, als stehendes 3×2-Rechteck angeordnet. Damit lassen sich insgesamt 64 verschiedene Zeichen bilden. Sie umfassen die Buchstaben von A bis Z, die Ziffern von 1 bis 0, Satzzeichen und Symbole sowie einzelne Zeichen für gängige Buchstabenverbindungen. Für Grossbuchstaben wird ein Sonderzeichen als Hinweis vor den Kleinbuchstaben gesetzt. Die Ziffern 1 bis 0 entsprechen den Buchstaben a bis j, wobei die Punkte eine Reihe tiefer gesetzt werden als bei den Buchstaben. Das ist möglich, da für diese Buchstaben nur die oberen zwei Punktereihen verwendet werden.
Das taktile Lesen der Blindenschrift ist anspruchsvoll und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Die Schrift ist aber durchaus auch für Menschen erlernbar, die erst im Verlaufe ihres Lebens erblinden, obschon der Aufwand für sie grösser ist als für blind Geborene, die von klein auf lernen, den Tastsinn differenziert einzusetzen. Bücher in Brailleschrift sind um ein Vielfaches voluminöser als Bücher in Schwarzschrift – der Schrift für Sehende. Zudem ist die Lesegeschwindigkeit auch bei sehr geübten Lesern in Brailleschrift deutlich geringer.
Zum Schreiben bedienen sich Blinde der Punktschriftmaschine. Dabei werden die sechs Punkte in einer Reihe angeordnet, und für jeden Buchstaben müssen die entsprechenden Punkte gleichzeitig gedrückt werden. Zudem lassen sich Computer mit einer sogenannten Braillezeile unterhalb der Tastatur ausrüsten. In diese Zeile sind kleine bewegliche Stifte eingelassen, die Bildschirminhalte in Brailleschrift darstellen können.
Sehende begegnen der Brailleschrift am ehesten im öffentlichen Raum, wenn etwa Handläufe von Treppengeländern gekennzeichnet oder touristische Informationen zusätzlich in Blindenschrift vermittelt werden.
Neben dem Tastsinn setzen Sehbehinderte natürlich auch auf das Gehör als Ersatz für den Sehsinn. Viele Printprodukte sind als Sprachausgaben verfügbar, und elektronische Dokumente und Websites können mit speziellen Programmen abgehört werden – wenn sie entsprechend aufgebaut sind.