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Gute Spiele?
Urs Hostettler hat sich sein Leben lang mit Spielen beschäftigt, hat Spiele erfunden, die Live-Krimitheater «Mystery Weekends» entstehen und gedeihen lassen, war am Spieleladen «DracheNäscht» beteiligt und spielt gerne mit unterschiedlichsten Menschen verschiedene Spiele.
19.06.2020
Spiele sind besondere Wesen: Zwitter aus Werkzeug und Fertigprodukt. Die Menschen müssen beim Spielen selbst aktiv werden, interagieren. Dieser Prozess ist bereits bei der Entwicklung eines Spiels zentral. Eine Idee, ein Plan ist der Ausgangspunkt, dann aber heisst es: testen, testen, testen. Es braucht viele Spielrunden mit interessierten Menschen, die Ideen einbringen, auf Schwachpunkte hinweisen, vielleicht den ganzen Plan umkrempeln. Auch wenn Testpersonen das Spiel nicht verstehen oder es ganz unerwartet angehen, kann das zur weiteren Entwicklung beitragen. Auch die unterschiedliche Zahl und die Verschiedenheit der Testpersonen sind wichtig. Nicht jedes Projekt überlebt diese Testspielrunden.
In den 80er-Jahren hatten wir in Bern eine sehr gute Spieleentwicklungsgruppe. Wir gründeten einen eigenen Spielladen, das «DracheNäscht», weil ausser den Spielen der grossen deutschen Verlage in Bern nichts erhältlich war. Wir lernten die etwas anderen Spiele aus aller Welt kennen und kreierten Eigenes. Wenn wir von einem Spiel überzeugt waren, ging es an die Produktion. Zum Glück gehörte ein Grafiker zu unserem Freundeskreis. Die Produktion war bei Kartenspielen recht einfach, brauchte es aber zusätzliches Material, wurde es zur logistischen Herausforderung. Wir produzierten so viel wie möglich in der Region, liessen in geschützten Werkstätten falten, kleben, ausrüsten. Wir hatten das Glück, für unsere Fata-Morgana-Eigenproduktionen immer begeisterte Vertriebe und Verlagspartner in Deutschland zu finden.
Heute erscheinen zuhauf Spiele von Kleinverlagen und Kickstarters von überall auf dem Globus. Spielemachen ist einfach geworden. Das Material wird in China, Taiwan oder in Polen fertig zusammengestellt. Die Kunst besteht darin, das Spiel medienwirksam unters Volk zu bringen, was leider oft wenig mit seiner Qualität zu tun hat. In den sozialen Medien sind eine auffällige Schachtel und ein reisserischer Titel wichtiger. Trotzdem: Die Spielewelt ist vielfältiger geworden. Wer genau hinschaut, kann manch anregendes Kleinod finden.
Ich persönlich mag Spiele mit Witz, Persiflage, Überraschungen, Fantasie, auch ein gewisses Mass an geistiger Herausforderung und Abwechslung. Ich mag Kommunikationsspiele, kooperative Spiele, besonders solche mit einem Verräter. Es gibt auch Spiele und Spielelemente, die mich langweilen, etwa Brettspiele, in denen man Waren tauschen, Gebiete erobern, Gebäude bauen soll, um Siegpunkte zu sammeln. Darauf verzichte ich lieber. Abschreckend wirken auf mich auch Riesenschachteln mit Material, das aufzubauen mindestens eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Vollends verjagen kann man mich mit Partyspielen, die man nur betrunken richtig geniessen kann. Primitiver gehts nicht.
Meine Lieblingsspiele des letzten Jahres? Werewords. Tragedy Looper. Letter Jam. Secret Hitler. Room 25. Das allerbeste aber war Pandemy Legacy, ein episches Spiel um die Bekämpfung einer globalen Pandemie. Alles keine Mainstreamspiele, ich weiss.
Das letzte Spiel, das ich entwickelt habe und mal noch herausgeben möchte, ist der Totentanz. Es geht darum, den Tod von der eigenen Tür fernzuhalten, ihn zu den anderen zu schicken, sogar noch ein wenig nachzuhelfen ... Aber das ist im Moment wohl nicht opportun.