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Ferien einst
Dass wir gesetzlich geregelten Anspruch auf Ferien haben, wenn wir in einem Arbeitsverhältnis stehen, scheint uns heutzutage selbstverständlich. Doch das war nicht immer so. Bruno Benz, ehemaliger Leiter des Stämpfli Korrektorats, ist der Frage auf den Grund gegangen, wie in der grafischen Branche früher Ferien gehandhabt und wann sie vertraglich geregelt wurden. In eigenen Erinnerungen, im Stämpfli Archiv wie auch im Gutenbergmuseum in Freiburg ist er fündig geworden.
20.06.2015
«Im zweiten Lehrjahr im Sommer kam eines Tages Herr Huber (Obermaschinenmeister) und sagte, dass ich andern Tags Ferien nehmen könne! – Sie betrugen einen Tag! Voller Freude überlegte ich, was ich in diesen Ferien alles machen könnte. – Ich habe dann zu Hause ‹Wedelen› gesägt.» Dieser Text stammt aus den Erinnerungen von Ernst Zumbach, der 1918 bei Stämpfli eine Stelle als Einlegerlehrling antrat und hier seine Karriere nach 40 Jahren als Speditionschef beendete. In einer im Archiv vorhandenen Berufsordnung für das Schweizerische Buchdruckgewerbe 1918–1922 sind die Arbeitsbedingungen für die «Gehilfen» (so nannte man damals in unserer Branche die Arbeitnehmer) detailliert geregelt. Darin ist zwar von Bezahlung versäumter Arbeitszeit in festgesetzten Fällen (z.B. Todesfall in der Familie, Niederkunft der Frau, Waffeninspektion usw.) die Rede – das Wort Ferien jedoch kommt nicht vor. In einem Nachtrag von 1926 taucht der Begriff erstmals auf: Im ersten Anstellungsjahr hatte der «Gehilfe» drei Tage zugut, nach drei Jahren in der gleichen Firma deren sechs. Erst in der Zwischenkriegszeit gewann der Begriff an Bedeutung, obwohl in der Schweiz noch 1939 lediglich 60 Prozent der gewerblichen Arbeitnehmer einen vertraglich geregelten Anspruch auf Ferien hatten; 1948 waren es bereits 75 Prozent.Etwas anders sah es für die Bediensteten der Eidgenossenschaft aus. Schon 1879 wurden den Beamten und Angestellten 12 bis 18 Tage Ferien zugestanden, den Arbeitern 4 bis 14 Tage. Als Folge ihres Streiks 1918 kamen die Bankangestellten in den Genuss einer damals sehr fortschrittlichen Ferienregelung: Zwischen zwei und vier Wochen wurden ihnen zugestanden.
Kantonale Regelungen
Nachdem die Ferienansprüche zunächst branchenweise in Gesamtarbeitsverträgen festgesetzt worden waren, kam um die Jahrhundertmitte die Feriengesetzgebung auf kantonaler Ebene in Gang. Ich begann 1950 meine Schriftsetzerlehre in einem Kleinstbetrieb im Kanton Schwyz. Mein Lehrmeister gewährte mir pro Jahr eine Woche Ferien. Am 3. Dezember 1950 wurde dem Schwyzer Volk ein Feriengesetz zur Abstimmung vorgelegt, das für Lehrlinge 15 Tage Ferien pro Jahr vorsah. Am Abend des Abstimmungssonntags meldete das Radio, die Vorlage sei mit wenigen Stimmen verworfen worden, was der Lehrmeister mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. In den Mittagsnachrichten des darauffolgenden Montags wurde berichtet, eine Gemeinde habe sich verzählt und die Feriengesetzgebung im Kanton Schwyz sei nun mit 5760 Ja gegen 5714 Nein angenommen. Wer sich am Nachmittag über die neue Situation nachdrücklich freute, dürfte klar sein.
Was machen mit Ferien?
In der Nachbarschaft gab es einen Schreinereibetrieb mit drei Lehrlingen. Als ich einem von ihnen gegenüber meine Freude über die verlängerten Ferien zum Ausdruck brachte, stiess ich auf ein unerwartetes Echo. Nein, das freue ihn gar nicht, er arbeite nämlich lieber in der Schreinerei als auf dem Bauernhof seines Vaters, wo er während seiner längeren Freizeit bestimmt zur Bewältigung der Ernte eingesetzt werde, war die griesgrämige, aber verständliche Antwort. Schon Ernst Zumbach weist mit seinem Entschluss, an seinem einzigen Ferientag «Wedelen» zu sägen, auf ein Problem hin, das vor und nach dem Krieg noch viele Arbeitnehmer und -nehmerinnen hatten. Die Löhne reichten vielerorts nicht dazu, etwas für Ferien auf die Seite zu legen. Nicht wenige stammten selber noch aus einem landwirtschaftlichen Betrieb oder hatten bäuerliche Verwandtschaft und fühlten sich mehr oder weniger durch Familienbande verpflichtet, dort Hilfe zu leisten. Mit der Zeit erwarben sich viele Familien Zeltausrüstungen oder hielten Ausschau nach günstigen Ferienwohnungen. Einige Jahre nach dem Krieg wurden Badeorte wie Ventimiglia, Rimini und Cattolica bekannt, wo man billig Strandferien machen konnte.