- Porträt
«Es ist ein ständiger Kampf»
Maximilian Scheidegger alias Mäxu, Spezialist Systeme und Prozesse Medienvorstufe, arbeitet seit fünf Jahren bei Stämpfli und lebt mit seinen Eltern in der Länggasse. Mit dem blond gefärbten Haar und dem farbigen Mantel hat er einen auffälligen Stil, obwohl er nicht gerne heraussticht.
27.02.2023
Eine (etwas) andere Kleiderwahl
«Mein Stil setzt sich aus dem zusammen, was mir nicht gefällt.» Genau das findet Mäxu spannend, und es ist sein erklärtes Ziel, dass ihn seine Kleidung unwohl und unsicher fühlen lässt. Dadurch erweitert er seinen Horizont, bekämpft seine Unsicherheit und lernt sich selbst kennen. Wenn er zum ersten Mal etwas anzieht, was ihn verunsichert, sei das unangenehm; so wie auch beim zweiten, dritten und vierten Mal. Denn er habe ständig das Gefühl und die Angst, dass ihn die Leute anschauten und be- oder gar verurteilten. Aber beim zehnten Mal merke er, dass er gar nicht mehr darüber nachgedacht habe. Plötzlich gehe es von allein, und er habe keine Mühe mehr. «Das ist irgendwie sehr schön», sagt Mäxu mit einem leicht verlegenen Lächeln. «Sobald ich denke ‹Das kann ich doch nicht machen›, habe ich die richtige Wahl getroffen.»
Der Angst in die Augen schauen
Mäxu hatte nicht immer einen auffälligen Kleidungsstil. Bis zu seinem 16. oder 17. Lebensjahr hatte er Mühe mit sich selbst. «Ich litt, weil ich mich nicht toll fand und der Meinung war, dass ich nicht gut aussehe.» Diese Gefühle seien unterschwellig immer da gewesen und fanden ihren Höhepunkt in Depressionen und Ängsten. Er musste einsehen, dass das Leiden zu gross geworden war und er so nicht weiterleben wollte. Deshalb ging er Anfang drittes Lehrjahr in die Psychotherapie, wo er sich zum ersten Mal selbst richtig kennenlernen musste.
Das Herausbrechen aus der «normalen» Kleiderordnung war dabei eine Art Übung, um die eigenen Ängste zu erkennen und sich ihnen zu stellen. Nach und nach merkte Mäxu, wie unreal, unbegründet und «leer» diese Ängste waren. «Ich musste das richtig üben: festzustellen, was diese Ängste sind und was sie bedeuten.» Am Anfang hatte er zwar das Gefühl, es werde schlimmer, wenn er diese Ängste fütterte, aber das Gegenteil war der Fall. «Je mehr ich mich versteckte und vor der Angst davonlief, desto schlimmer wurde es. Das ist auf lange Zeit keine Lösung», sagt er bestimmt.
Ein Paradox
Dass Mäxu in dieser Ausgabe porträtiert wird, freut ihn sehr, «obwohl das natürlich heisst, dass ich auffalle, was mir wiederum nicht so gefällt». Er sei immer wieder erstaunt, wenn andere seinen Stil cool statt komisch fänden. «Das Ganze ist ziemlich paradox: Eigentlich möchte ich nicht auffallen, und wenn mich dann jemand anspricht, merke ich, dass ich auffalle – und das gefällt mir.» Manchmal werde ihm diese Tendenz, seinen auffälligen Stil nicht mehr nur wegen seiner Ängste zu pflegen, zu stark. «Aber natürlich habe ich ein Ego und möchte anderen gefallen», fügt er schulterzuckend an. «Mein Stil wandelt auf einem ganz schmalen Grat zwischen der Befreiung, die ich suche, und der Einschränkung, die ich fürchte.»
Mäxus Lebensbalance
Meditation hilft Mäxu, sich selbst besser kennenzulernen. Er meditiert im Stil des Zen. Dabei kniet man 25 Minuten auf einem Kissen vor einer weissen Wand und hat die Augen geöffnet. Währenddessen lässt man die Gedanken zu, die im Alltag keinen Raum finden. «Wenn man gar nichts macht, merkt man, wie chaotisch diese Gedanken sind», sagt Mäxu. Interessant sei, dass sie sich oft um einen selbst drehten und dieselben Gedanken immer wieder kämen. Beim Meditieren trainiere man die Wahrnehmung der Gedanken und lerne, sie zu benennen. «Es macht einen Unterschied, ob man denkt ‹Ich bin nichts wert› oder ob man diesen Gedanken bewusst wahrnimmt und ihn benennt, etwa ‹Ich habe die Vorstellung, dass ich nichts wert bin›.» Mäxu meditiert täglich, das sei wichtig. «Ich tue es nicht gerne, wie vielleicht viele andere auch, aber wenn ich es nicht tue, fühle ich mich schlecht.» Es gebe dennoch Phasen, in denen er es vernachlässige, weil er keine Lust habe, es anstrengend sei oder er das Gefühl habe, dass es sowieso nichts bringe. Wer habe schon Lust darauf, 25 Minuten vor einer langweiligen Wand zu sitzen, eventuell sogar mehrmals täglich?