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Elektronische Spiele im Altersheim
Computerspiele im Altersheim? Alte Leute haben doch keinen Bezug zu elektronischen Medien, geschweige denn zu Computerspielen. Und überhaupt, muss jetzt sogar im Altersheim noch gegamt werden? Bettina Wegenast von Myosotis-Games meint, gerade Games könnten hier eine Chance sein.
19.06.2020
Hemmschwellen abbauen
Beim Besuch in einem Altersheim ist es oft nicht einfach, Zugang zu den dort lebenden Angehörigen zu finden. Man weiss nicht, wie man mit der ungewohnten Situation umgehen soll. Ausserdem gibt es in Heimen nur wenig Begegnungsmöglichkeiten für Bewohner/innen und Angehörige. So bleibt man dann aus Hilflosigkeit lieber zu Hause, und die betagten Familienmitglieder bleiben allein. Das Angebot von Myosotis-Games will hier spielerisch Abhilfe schaffen: Kleine, einfache Computerspiele sollen die Kommunikation mit dem Gegenüber erleichtern.
Eigene Erfahrungen
Die Idee basiert auf eigenen Erfahrungen: Mutter und Schwiegermutter waren in jeweils unterschiedlichen Heimen untergebracht, und ich verbrachte viel Zeit in Institutionen. Mit Schwiegermutter Dorle versuchte ich, altbekannte Spiele zu spielen. Das erwies sich aber als schwierig: Das Material war zu kleinteilig, die Regeln zu kompliziert, und die Spielrunden dauerten zu lange. So begann ich, mein Tablet ins Heim mitzunehmen und darauf mit Dorle einfache Games und interaktive Animationen auszuprobieren. Dies funktionierte bestens und machte uns beiden viel Spass.
Spiel als Kommunikationsmittel
Inzwischen habe ich in vielen Heimen mit ganz unterschiedlichen Menschen gespielt und andere zum Gamen ermutigt. Gerade dass das Tablet als Spielgegenstand vielfach noch unbekannt ist, entpuppte sich in diesem Setting als Chance: Hier fällt der Verlust von feinmotorischen Fertigkeiten nicht weiter auf, und es ist egal, wenn einem Spielregeln entfallen sind.
Auch ein Kinderspiel
App-Games für Kinder eignen sich für den Einstieg besonders gut. Gerade hier ist es wichtig, dass sie selbsterklärend sind. Allerdings werden Kinderspiele manchmal grafisch als zu kindisch wahrgenommen, obwohl sie sich in der Mechanik gut zum gemeinsamen Spielen eignen würden. Aber vieles ist ohnehin Geschmackssache. So probiere ich selbst auch immer wieder neue Apps und Spielkonzepte aus, die ich momentan vor allem aus dem App-Store herunterlade. Grundsätzlich wünsche ich mir mehr einfache Spiele mit einem Design, das auch Erwachsene anspricht, eventuell sogar Games, in die personenbezogene Materialien wie Fotos eingebunden werden können.
Von dieser Idee habe ich dem Informatiker Marco Soldati von der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW erzählt. Daraufhin begann die FHNW, Game-Prototypen im Rahmen von Bachelorarbeiten von Studierenden zu entwickeln. Einer der erfolgreichsten Prototypen ist ein Spiel, das sich die ehemaligen Studentinnen Viviane Bendus und Souzan Alhenawi zusammen mit Dorle ausgedacht haben: Es gilt, in einem Labyrinth alle benötigten Esswaren einzusammeln, um ein bestimmtes Rezept kochen zu können.
Essen als Trigger
Essen und Kochen sind immer gute Trigger, um mit Bewohner/innen in einen Austausch zu kommen. Zu Nahrungsmitteln haben fast alle eine Meinung oder Erinnerungen. Das kann zum Erzählen von ganzen Lebensgeschichten führen. Denn darum geht es ja letztlich bei dieser Art von Spielen. Gewinnen oder Gehirntraining sind nicht weiter wichtig, sondern wichtig sind der gemeinsame Spielspass und die Kommunikation, die Begegnung. Und das funktioniert auch bei Menschen, die schon ein bisschen weiter weg bzw. dement sind. Denn eine gewisse Grundneugier erhält sich bei fast allen Menschen bis fast zum Schluss. Vor allem wenn sie merken, dass ihr Gegenüber selbst Spass hat.