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Wo gehen wir denn hin? Immer nach Hause*

Das Thema Ferien in Zeiten, in denen auch Ferien anders sind, ist schon fast verwegen. Für mich zumindest ist 2020 als Ferienjahr gestorben. Oder war da was?

In den Sportferien im Februar kamen sie auf, die ersten Beiträge zu einem neuen Virus. Auf einem Markt in ... usw. Das ist hinlänglich bekannt. Sorglos und unbedarft ging es da noch auf die Skier, und die Woche war wie immer. Erholsam, sehr erholsam. Wie 14 Tage sonstwo.

Dann kam der Lockdown. Ausgerechnet. Jährlich verbringe ich eine Woche als Egoferien. Doch die Woche im Frühling fiel dem Lockdown zum Opfer. Von der Dusche ging es nicht ins Homeoffice, sondern in die … hm … ja was eigentlich? Ferien ist der falsche Begriff. Für Ferien wähle ich Datum, Ort und Begleitung. Okay, Drittes ist mehrheitlich gegeben. Aber in den Egoferien eben nicht. Also besser «Zwangs-zu-Hause-Rumturnen-ohne-Plan-und-in-Begleitung-derer-die-einfach-da-sind-Ferien».

Wie es bei den Schulferien gegeben ist, folgt der Sommer. Die Hoffnung, die stirbt jedoch für einmal nicht zuletzt, sondern sehr bald. Buchung stornieren und Ferien in der Schweiz suchen. Zu meinem Schutz bleibt der Ort anonym, er kann ja auch nichts dafür. Aber diese Woche da in den Bergen! Gut, gab es in der Nähe eine Kleinstadt. Leider kein Auslandgeschmack, andere Kultur, überraschender Stil, besondere Stimmung und dazugehörige Menschen. Das Bild mit dem einsamen Mann auf dem leeren Markusplatz in Venedig erweist sich im Nachhinein als «gefakt», aber die Sehnsucht aus den Bergen hat es geprägt.

Genau, jetzt käme der Herbst, doch den erwähne ich nicht mal. Umzug ist nicht gleich Ferien, also gehört es auch nicht hierhin.

Bleibt noch Weihnachten. Die können kurz abgehandelt werden. Mit zwischen verantwortlichem Handeln und Deshalb-zu-Hause-Bleiben und Verärgerung über die, die auf den Pisten sind, schwankender Gefühlslage bleiben wir zu Hause.

Und jetzt? Schluss mit Jammern. Trotzdem hat mich 2020 nichts so erschüttert wie die geraubte Entscheidungsgewalt über meine Ferien. Für mich unerträglich. Für die, die sowieso da sind, dank meiner Laune auch. Doch das ist ein schwacher Trost. Zu Weihnachten habe ich ihnen und mir das Buch «1000 Places to see before you die» geschenkt. Kopfkino. Ach, lass mich doch. Das hatte nicht mal Nebenwirkungen. Schliesslich ist auch das Kino zu.

Jetzt freue mich auf Ferien 2021. Die werden ja so was von unglaublich, denn die Latte ist derart tief gelegt. Danke 2020.

* Angelehnt an das Vorwort von Rudolf Stämpfli zur Marginalie 4/2020: Novalis: «Heinrich von Ofterdingen». Zweiter Teil: Die Erfüllung; Das Kloster oder der Vorhof; Australis

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