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Gnadenlos kapitalistisch

Der Kapitalismus tut sich gerade schwer. Das COVID-19-Virus kümmert sich nicht um Börsenkurse, Eigentumsrechte und Vermögensvermehrung. Die Welt ist stiller geworden. Wir haben mehr Zeit für uns und für die, mit denen wir zusammenwohnen. Die einen nehmen ein Buch zur Hand, was sich immer lohnt. Andere beginnen zu basteln. Viele spielen wieder mehr, zum Beispiel Monopoly – der Klassiker unter den Gesellschaftsspielen lässt vielerorts kein Auge trocken. Von Tumulten habe ich mir erzählen lassen, von offenem Streit, von zertrümmerten Spielbrettern, von ernüchterten, um nicht zu sagen erniedrigten Verlierern und von triumphierenden Gewinnern. Eine Mehrheit versucht zu betrügen, auch wenn eine Mehrheit das Gegenteil behauptet. Monopoly, strikt nach den Originalregeln gespielt, ist gnadenlos kapitalistisch, neoliberal auf wüste Weise. Und gerade deshalb so herrlich lehrreich. Wer sich sozial gibt und anderen Schulden erlässt oder die Mieten nicht einfordert, biegt direkt auf die Verliererstrasse ein. Man sollte das Spiel im Schulunterricht für obligatorisch erklären, es erzählt alles über den reinen Kapitalismus und seine sozialen Folgen. Wer als Gewinner in die Augen der Verlierer schaut, erkennt erschaudernd die Abgründe dieser Welt. Wer solches gesehen hat, weiss, weshalb es soziale Netzwerke braucht.