• Vorwort

Waldmenschen

Ich wünsche mir, dass wir auch hier bei uns Natur und Mensch im Einklang halten und so neue Paradiese schaffen.

Stundenlang stapfen wir bereits durch den tiefen, morastigen Boden. Sträucher, Äste, Lianen, Luftwurzeln stehen und hängen im Weg. Es könnten sich Baumschlangen darin verstecken. Im Boden graben Krebse ihre Behausungen; die Blutegel werden wir erst am Abend unter Hemd und Hose finden. Wir sind in einem Primärwald, einem Wald, der seit seiner Entstehung von menschlicher Einflussnahme unberührt geblieben ist: Wir sind im Urwald auf der Suche nach den Waldmenschen. Das ist die wörtliche Übersetzung des malaiischen Orang Utan. Sie bewohnen die oberen Etagen in diesem Wald, ihrem Lebensraum perfekt angepasst. Es sind grosse, kräftige Tiere.

Der Philosoph Arthur Schopenhauer beobachtete ihre Intelligenz und meinte, erwachsene Tiere würden diese verlieren, weil ihre Kraft sie überflüssig mache. Die Bewohner Borneos hingegen behaupten, die Orang-Utans könnten reden, wenn sie nur wollten. Sie täten es nicht, aus Furcht, sonst arbeiten zu müssen.

Der grösste Feind dieses Menschenaffen ist der Mensch. Die masslose Abholzung des Urwalds und der Aufbau endloser Monokulturen zerstören den Lebensraum. Für den Menschen ist es ein Leichtes, die eher langsamen Tiere zu bejagen; sie werden als Haustiere gefangen und verkauft. Krankheiten springen vom Menschen auf die Affen über. All das kumuliert sich mit der langsamen Reproduktion der Tiere, die Art ist vom Aussterben bedroht.

Unsere Wälder hier um uns herum sind Sekundärwälder, in einem frühen Stadium sogar häufig nur Sekundärvegetationen nach intensiver Bewirtschaftung. Viele Wälder dienen uns zur Erholung, mannigfache Freizeitbeschäftigungen finden im Wald eine schöne Umgebung. Die Wälder werden zumeist wirtschaftlich genutzt, ein Netz von stabilen Wegen und Pfaden ermöglicht den einfachen Zugang. Immerhin gibt es auch in der Schweiz Bemühungen, wieder Urwälder wachsen zu lassen.

Das Nebeneinander von wilder Natur und Zivilisation ist schwierig; das ist eine banale Feststellung. Uns dient die Natur zur Erholung, wir wünschen uns lebenswerte Umgebungen. Natur- und Landschaftsschutz, gesunde Wälder und sauberes Wasser: Das alles hat bei uns einen hohen Standard. Aber schon das Auftauchen eines Wolfes, eines Bären oder die weit umherstreifenden Luchse lösen heftige Diskussionen aus. Allzu viel Natur darf es offenbar doch nicht sein. Wir reisen lieber in ferne Länder und besuchen dort die letzten Paradiese.

Ich wünsche mir, dass jeder dieser Reisenden zurückkommt mit der Einsicht und dem Bestreben, auch hier bei uns Natur und Mensch im Einklang zu halten, zum Schaffen hiesiger Paradiese.