• Bildung

Verbieten oder lehren?

Seit Anfang des Jahres wird ChatGPT mehrere Millionen mal pro Monat aufgerufen. Doch ChatGPT ist nicht die einzige Software mit künstlicher Intelligenz (KI). Auch bei der individualisierten Werbung, in Bildgeneratoren und in Spracherkennungsprogrammen spielt sie eine Rolle. Das hat Auswirkungen auf das Bildungswesen und die Art und Weise, wie Menschen weltweit Wissen erlangen und teilen.

KI an Schulen

Roger Spindler von der Schule für Gestaltung im Gespräch darüber, wie KI die Schule verändern wird.

Roger, wie wird KI die Schule beeinflussen?

Mit dieser Frage beschäftigt sich die Schulleitung intensiv. Im Bildungsbereich ist ein grundlegendes Verständnis von KI unerlässlich. Gerade in einer Schule für Gestaltung ist es dabei wichtig, sich nicht nur auf Chatbots zu beschränken. Wir müssen auch die Bildgeneratoren und Codierungen berücksichtigen. Für Berufe wie Polygraf/in, Interactive Mediadesigner oder Mediamatiker/in eröffnen sich mit solchen Programmen völlig neue Möglichkeiten. KI kann beispielsweise eingesetzt werden, um Drucklayouts zu erstellen, realistische 3-D-Welten in Videospielen zu gestalten oder automatische Untertitel zu generieren. Das bedingt auch, dass die Überprüfung und Bewertung von Kompetenzen, wie sie heute in der Berufsbildung und den Schulen gefordert wird, überdacht wird. Zudem wird die individuelle Betreuung von Lernenden immer mehr in den Fokus rücken. Meiner Meinung nach ist es bei all dem wichtig, die neuen Optionen zu nutzen, anstatt sie zu verbieten.

«Gerade in einer Schule für Gestaltung ist es wichtig, sich nicht nur auf Chatbots zu beschränken. Wir müssen auch die Bildgeneratoren und Codierungen berücksichtigen.»

Roger Spindler

Das klingt nach grossen Veränderungen.

Absolut, einige sprechen gar vom «iPhone­-Moment» der Schule. Es ist entscheidend, dass wir herausfinden, wie KI sinnvoll im Unterricht integriert werden kann. Der Umgang mit den neuen Technologien muss gelehrt werden, damit die Schülerinnen und Schüler auf die Arbeitswelt vorbereitet sind. Ob der Unterricht aber durch KI grundlegend verändert werden wird, weiss ich nicht. Dennoch sollten Lehrkräfte die Verwendung der neuen Programme bei der Planung ihres Unterrichts in Betracht ziehen und sich eingehend damit beschäftigen. Wichtig ist dabei, nicht nur den direkten Umgang mit KI, sondern auch gesellschaftliche Themen zu behandeln, wie die harte Realität in sogenannten Click-Farmen, wo Menschen belastende Arbeit für geringe Bezahlung verrichten.

Hat die Schule für Gestaltung denn bereits ein KI-Konzept?

Nein. Ich bezweifle, dass es sinnvoll ist, ein allumfassendes Konzept zu entwickeln. Stattdessen müssen sich die verschiedenen Berufe und Berufsgruppen überlegen, wie sie ihre Ausbildung jeweils spezifisch anpassen wollen.

Wenn es kein übergeordnetes Konzept gibt, müssen die Lehrkräfte umso besser geschult sein.

Völlig richtig. Wir haben eine erste Lehrerweiterbildung zu diesem Thema zwischen Frühling und Sommer durchgeführt. Es gibt auch ganz viel externe Weiterbildungsmöglichkeiten. Aber auch in den verschiedenen Fächern ist schon einiges passiert. Im Fach Fotografie gibt es etwa eine fachspezifische Weiterbildung zu KI. Dabei wird zum Beispiel die Frage diskutiert, welches Recht man noch an einem Bild hat, und die Studierenden lernen den Umgang mit KI-Tools.

Nun noch eine allgemeine Frage, die sich viele stellen: Wird in Zukunft noch Fachpersonal benötigt, oder erledigt KI unsere Arbeit?

Ein Vergleich, den ich oft verwende, ist E­-Bike-Fahren: Der Strom erleichtert das Radfahren, aber die grundlegenden Fähigkeiten bleiben wichtig. Denn wer nicht radfahren kann, kann auch nicht E-­Bike fahren. Das kann man auf die Arbeit mit KI übertragen: Die KI kann Aufgaben übernehmen, wir müssen aber wissen, wie mit ihr gearbeitet wird. Neben den spezialisierten Prompt Engineers werden das auch andere Berufsgruppen beherrschen müssen.

Und was denkt die junge Generation?

Fabio Egli, 19 Jahre, BM-Schüler

Ich bin nicht grundsätzlich gegen KI, stehe jedoch dem grossen Hype kritisch gegenüber. Meiner Meinung nach sollte KI dort eingesetzt werden, wo keine eigentliche Intelligenz gebraucht wird, etwa bei Fliessbandarbeiten. Heutige KI ist nicht wirklich intelligent, sie verfügt nur über Datensets, welche die statistisch gesehen wahrscheinlichste Antwort ausspielen. Sie ist vielleicht quantitativ besser als der Mensch, qualitativ aber meilenweit von der viel komplexeren menschlichen Intelligenz entfernt. Ich nutze KI nur, um einen Überblick über ein Thema zu erhalten oder eine E-Mail zu schreiben – aber auch das äusserst selten. Die Schulen sollten Schülerinnen und Schüler über KI aufklären, sie aber nicht verbieten. Ich vermute, dass es in Zukunft ähnlich wie mit dem Taschenrechner sein wird: Wichtiger, als jeden Denkschritt selbst ausführen zu können, ist es, zu wissen, wie man am effizientesten auf das richtige Resultat kommt.

Jamilla Leist, 21 Jahre, PH-Studentin

Ich sehe die Situation mit KI optimistisch. Chancen gibt es in den unterschiedlichsten Bereichen: KI kann Rezepte erstellen, aber auch komplexe Formeln erläutern. Hier liegt jedoch auch eine Gefahr. Die Anbieter von öffentlich zugänglichen Diensten wie ChatGPT können von Firmen finanziell unterstützt werden und dafür die Antworten der KI beeinflussen. Weitere Risiken sind das Veröffentlichen von Plagiaten oder veraltete Inhalte. Ich selbst benutze KI in meiner Ausbildung, beispielsweise für kurze prägnante Erklärungen von einem Begriff. Wie man mit der KI in Schulen umgehen soll, ist abhängig von der Altersstufe. Das Thema sollte im Unterricht seinen Platz haben, was auch fächerübergreifend geschehen kann. Verbieten ist unmöglich, einen guten Umgang damit zu finden umso wichtiger.

Luana Leist
Lernende Polygrafin, 2. Lehrjahr
Stämpfli Kommunikation
+41 31 300 65 90