- Editorial
Ich weiss …
«Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heissem Bemühn. Da steh’ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!»1
27.05.2025

Wir sind eine Wissensgesellschaft. Das individuelle und kollektive Wissen dient als Grundlage für die Ausgestaltung des Zusammenlebens. In der Tat hat sich das Wissen in unserem Land, in der ganzen Welt enorm vermehrt, und es nimmt noch immer zu. Gleichzeitig aber scheint es mir, dass zunehmend die Möglichkeit, etwas zu wissen, ersetzt wird mit Behaupten und Insistieren auf Meinungen: «Meine Meinung steht fest! Verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen.»
Es gibt so viele Quellen, aus denen man Informationen schöpfen kann. Man tut gut daran, zu prüfen, wie seriös, wie verlässlich die konsultierten Quellen sind. Diese reichen von etablierten und zuverlässigen Informationen bis zu Verschwörungstheorien, von faktenbasierten Meldungen zu demagogischen Pamphleten, und alles findet sich ungefiltert im Netz und in gedruckten Medien mit dem Stempel «So ist es!». Umso wichtiger ist, stets zu hinterfragen, wie es um die Glaubwürdigkeit der Aussagen, um die Faktentreue der Inhalte steht.
Aber auch mit soliden Quellen: Unser Wissen ist ein Stückwerk und wird es zu Lebzeiten bleiben. Man könnte sich deshalb der Magie zuwenden, wie es Heinrich Faust in Goethes epochalem Werk macht: «Drum hab’ ich mich der Magie ergeben, … dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält …»2 Das drückt den geteilten Blick auf die Welt aus, der uns anhaftet. Wir nennen Wissen die immer beschränkten Bausteine, mit denen wir das Sichtbare zu erklären versuchen. Diese Bausteine müssen überprüfbar sein, und wir müssen uns die Mühe dieser Überprüfung machen. Wer mit Fantasie oder Ideologie seine Steine schafft, wird etwa heute noch behaupten, die Erde sei eine Scheibe.
Die Frage, «was die Welt im Innersten zusammenhält», ist für mich aber eine Frage nach Erkenntnis. Wissen im Sinne der oben erwähnten Bausteine ist das nicht. Es geht in die Richtung des Glaubens: «Ich glaube, damit ich erkennen kann.»3 Glaube ist etwas sehr Persönliches, und ich möchte allen ihren empfundenen Glauben lassen. Wenn ich akzeptiere, dass mein Erkennen nur unvollständig ist, darf ich mir auch nicht anmassen, mein Weniges als allgemeingültig zu erklären. Ich sollte nicht glauben, zu wissen, was ich gar nicht wissen kann: «Ich weiss, dass ich nicht weiss!»4