- Perspektivenwechsel
Das Kommunikationsrecht, ein unverzichtbares Werkzeug
Im Jahr 2011 veröffentlichte der Stämpfli Verlag die zweite Auflage von «Droit de la communication», dem von Denis Barrelet und Stéphane Werly verfassten Kompendium zum Kommunikationsrecht. Seitdem hat dieses Rechtsgebiet viele grundlegende Veränderungen erfahren, sodass für 2023 eine neue Auflage in Vorbereitung ist. Autor Stéphane Werly erläutert im Interview die Bedeutung dieses unumgänglichen Rechts und die Herausforderungen, die damit verbunden sind.
28.11.2022
Interview mit Stéphane Werly, Professor an der Universität Neuenburg
Warum brauchen wir ein Kommunikationsrecht? Haben wir in der Schweiz keine Meinungs- und Redefreiheit?
Das ist eine ausgezeichnete Frage! Artikel 16 der Bundesverfassung garantiert die Meinungs- und Informationsfreiheit: Jede Person kann frei ihre Meinung bilden, äussern und verbreiten, Informationen empfangen oder sich diese beschaffen und verbreiten. In Artikel 17 ist die Freiheit der verschiedenen Medien wie Presse, Radio oder Fernsehen und anderer Formen der Verbreitung, Produktion und Information im Rahmen der öffentlichen Telekommunikation verankert. Alle Grundrechte können jedoch unter bestimmten Bedingungen eingeschränkt werden – auch in der Schweiz. Die Verankerungen in der Verfassung reichen daher nicht aus, um die Kommunikationsfreiheiten genau zu beschreiben. Das Kommunikationsrecht muss insbesondere die Grenzen der Meinungsäusserung durch das Straf-, Zivil- und Verwaltungsrecht sowie für Journalisten durch die Berufsethik aufzeigen.
«Das Kommunikationsrecht zielt insbesondere darauf ab, das Wissen um die Grenzen, denen die Meinungsäusserung unterliegt, hervorzuheben.»
Inwiefern ist dieses Recht für die Akteure der Kommunikationswelt, insbesondere für Herausgeber und einen Verlag wie Stämpfli, unerlässlich?
Dieses Recht ist unerlässlich, weil ein Verlag die rechtlichen Vorschriften kennen muss, die die Kommunikation regeln. So kann er strafrechtlich haftbar gemacht werden, wenn eine Straftat begangen und in Form einer Veröffentlichung durch ein von ihm herausgegebenes Werk vollendet wurde. Auf zivilrechtlicher Ebene kann derjenige, der eine unrechtmässige Verletzung seiner Persönlichkeit erleidet, zu seinem eigenen Schutz direkt gegen einen Verlag vorgehen: Er kann zum Beispiel Schadensersatz verlangen oder Genugtuung einfordern.
Ist das Kommunikationsrecht heute ein Bereich voller Fallstricke, sodass Unternehmen nicht nur einen Kommunikationsbeauftragten, sondern auch einen Kommunikationsjuristen benötigen?
Für ein Medienunternehmen ist es notwendig, sich die Hilfe eines Juristen zu sichern. Denn es stellen sich nicht nur Fragen des Kommunikationsrechts, beispielsweise des Urheberrechts, der straf- oder zivilrechtlichen Haftung usw., sondern auch solche des Schuldrechts, insbesondere in Bezug auf Verträge. Der Jurist muss daher in der Lage sein, die verschiedenen Bereiche, die bei der Tätigkeit eines Verlags zur Anwendung kommen können, zu unterscheiden; er muss also einen bereichsübergreifenden Blick auf die Materie haben.
Sie bereiten eine Neuauflage Ihres Buches für 2023 vor. Was sind die neuesten Entwicklungen im Bereich des Kommunikationsrechts in der Schweiz? Welche Debatten treiben die Rechtswissenschaft noch um?
Ja, die Arbeit ist in vollem Gange. Die wichtigste Neuerung in dieser dritten Auflage ist das Inkrafttreten des neuen Datenschutzgesetzes am 1. September 2023. Zu denken ist auch an den neuen Artikel 2 Absatz 3bis des Urheberrechtsgesetzes, der nunmehr fotografische Wiedergaben und solche, die durch ein fotografieähnliches Verfahren von dreidimensionalen Objekten hergestellt werden, als Werke betrachtet, auch wenn sie keinen individuellen Charakter haben. Kontroversen in der Lehre betreffen beispielsweise die Einstufung von Facebook als Medium im Sinne von Artikel 28 des Strafgesetzbuches oder die Notwendigkeit eines Bundesmediengesetzes.
Sie haben gerade über Fotoproduktionen gesprochen, könnten Sie auch kurz auf das Recht am eigenen Bild eingehen? Was muss man bei der Veröffentlichung von Fotos beachten?
Der erste Ratschlag lautet, sich zu vergewissern, dass die Person, die man fotografiert, damit einverstanden ist. Ein legal aufgenommenes Foto darf grundsätzlich veröffentlicht werden, es sei denn, es enthält eine irreführende, persönlichkeitsverletzende Botschaft, zum Beispiel eine Person, die eine Grimasse schneidet, oder eine Veröffentlichung ist aufgrund der zeitlichen Abfolge unerlaubt, etwa bei einem Foto eines Straftäters, das zum Zeitpunkt seines Prozesses aufgenommen wurde und nun das Recht auf Vergessenwerden geniesst. Ebenso darf ein Foto nicht ausserhalb des eingewilligten Rahmens zur Aufnahme verwendet werden, beispielsweise jemand, der sich bei einer Taufe hat fotografieren lassen, kann sich wundern, wenn er in einem Buch über die Einführung in die Ehe abgebildet ist. Wenn keine Einwilligung vorliegt, ist es jedoch erlaubt, einen belebten Ort zu fotografieren, wenn die Personen auf dem Foto nur eine untergeordnete Rolle spielen, oder eine Menschenmenge zu fotografieren, wenn der Einzelne in der Menge untergeht, es sei denn, es handelt sich um einen wenig empfehlenswerten Ort. Zusammenfassend ist es daher unerlässlich, daran zu erinnern, dass allein das Fotografieren einer Person ohne deren Zustimmung und erst recht die Verwendung dieses Fotos rechtswidrig sind.
Was man über das Urheberrecht im Jahr 2022 wissen muss
Ursprünglich bestand das Urheberrecht aus sektorspezifischen Regelungen für die Herausgabe von Büchern, die Aufführung von Theaterstücken, die Aufführung von Musik usw. Es sollte Verleger vor unlauterem Wettbewerb durch den Nachdruck ihrer Veröffentlichungen schützen und den Urhebern ein angemessenes Einkommen aus der Vermarktung ihrer geistigen Arbeit garantieren. Heute ist das Urheberrecht zu einem zentralen Faktor der digitalen Gesellschaft geworden, der viele Aspekte unseres privaten, wirtschaftlichen und sozialen Lebens regelt, insbesondere im Hinblick auf die Kommunikation über das Internet.
Trotz der Aktualisierung der Rechtsnormen auf nationaler und internationaler Ebene hat das Urheberrecht Schwierigkeiten, sich an diese neue Aufgabe anzupassen, und erfüllt sie nur unbefriedigend. Oft ist es schwierig, die geltenden rechtlichen Bestimmungen auf reale Situationen anzuwenden, da diese nicht mehr denjenigen entsprechen, die zum Zeitpunkt der Gesetzgebung galten. Dennoch bleibt das Urheberrecht ein unverzichtbares Instrument zum Schutz der moralischen und wirtschaftlichen Interessen von Urhebern und Interpreten. Die aktuelle Herausforderung besteht also darin, neue Lösungen zu finden, die dieser wichtigen Aufgabe gerecht werden und gleichzeitig besser an die modernen Kommunikationsformen angepasst sind.
Von Willi Egloff, Rechtsanwalt und Autor vom Buch «Das neue Urheberrecht».