Weshalb, Frau Rytz, muss Bern neu gegründet werden?

Ganz einfach: weil wir gemeinsam stärker sind. Von Gemeinsamkeit ist aber gerade in der Region Bern wenig zu spüren. Zwar wurde im Oktober 2009 mit grossem Engagement die Regionalkonferenz Bern-Mittelland gegründet. Mit dem regionalen Verkehrs- und Siedlungskonzept (RGSK) hat sie ein gewichtiges Strategiepapier vorgelegt. Doch in der Umsetzung der gemeindeübergreifenden Schlüsselprojekte treten die Schwächen der heutigen Strukturen zutage. So muss zum Beispiel die politische Diskussion über das Tram Region Bern in den Gemeinden Bern, Köniz und Ostermundigen parallel geführt werden. Würde eine davon 2014 ihren Anteil am millionenschweren Baukredit ablehnen, dann wäre das gesamte Tramprojekt gefährdet. Jahrelange Planungs­arbeiten müssten abgeschrieben werden – auch in denjenigen Ge­mein­den, die dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs als Voraus­setzung für die bauliche und wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region zugestimmt hätten.

20.09.2012

Auch in anderen Fragen sind die kleinräumigen Strukturen der Kernregion Bern wenig hilfreich. So versuchen zum Beispiel alle Behörden, auf ihrem Gemeindegebiet prioritär immissionsarme Wirtschaftsbranchen mit hoher Wertschöpfung anzusiedeln. Damit wird Industrie- und Gewerbeland in der Region Bern immer knapper. Weil der Kampf um attraktive Steuerzahler/innen auch im Wohnungsbau stattfindet, dominiert in der Region Bern das Sankt-Florians-Prinzip. Alle wollen die Sonnen- und niemand die Schattenseiten vor der Haustür. Warum sollen die Stadtberner/innen für neue Steuerzahler in Ostermundigen mehr Verkehr schlucken, wird in öffentlichen Diskussionen gefragt. Und warum soll Köniz seinen Entsorgungshof täglich öffnen, wenn man auch die exzellenten Angebote der Stadt Bern nutzen kann? Diese selektive Optimierungslogik ist weit verbreitet und schadet der Gesamtentwicklung der Region Bern.

Noch ist Bern nach Zürich, Genf und Basel die viertgrösste Stadt der Schweiz, doch Winterthur und Lausanne sind uns dicht auf den Fersen. Unterstützt durch urban ausgerichtete Kantone und starke Strukturen wie zum Beispiel den Zürcher Verkehrsverbund wird in anderen Zentren der Schweiz viel in die Weiterentwicklung der Bildungs-, Verkehrs- oder Gesundheitsangebote investiert. Während man sich in Bern jahrelang über die Stellung des Universitätsspitals oder die präzise Lage eines Tiefbahnhofs streitet, realisieren andere Zentren bereits die nächsten Ausbauschritte. Während der Gemeindepräsident von Köniz lieber den Fachhochschulstandort Burgdorf als Bern unterstützt, investieren andere Grossregionen in neue Ausbildungsgänge. Die Beispiele zeigen, wie die kommunale Zersplitterung die gesellschaftliche und wirtschaftliche Modernisierung der Region Bern unnötig bremst. Über die kleinräumigen Egoismen hilft auch der Status als «Hauptstadtregion Schweiz» nicht hinweg.

Damit die historisch gewachsene Zersplitterung in der Region Bern in eine gemeinsame Identität überführt werden kann, haben sich Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Bildung in einem überparteilichen Verein zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, Bern in sinnvollen Grenzen neu zu gründen, also die politischen Planungs- und Entscheidungsräume den aktuellen Lebens- und Wirtschaftsräumen anzupassen. Würden sich die fünf Kerngemeinden in einem ersten Schritt zur drittgrössten Stadt der Schweiz zusammenschliessen, dann würde das nicht nur in der Region eine neue Dynamik auslösen. Auch der Kanton könnte sich mit einem starken Zentrum aus eigener Kraft weiterentwickeln. Der Verein «Bern NEU gründen» freut sich über neue Mitglieder und breite Unterstützung!