Wer ist Prof. Matthias Oesch?

20.03.2012

Warum haben Sie sich für das Jurastudium entschieden?

Favoriten waren eigentlich Germanistik und Geschichte. Ein Besuchstag an der Uni Fribourg weckte mein Interesse für juris­tische Fragen. Zudem herrschte in meinem Freundeskreis die durchaus berechtigte Meinung vor, ansehnliche Maturanoten in Mathematik und Deutsch würden für ein Jurastudium gut qualifizieren. Schliesslich beeinflussten mich wohl auch meine juristisch tätigen Eltern. Also Juristerei – ein Entscheid, den ich nie bereut habe.

Wo ist für Sie heute die Heraus­forderung, Recht zu praktizieren, Recht zu lehren oder über Recht zu schreiben?

In meiner aktuellen Forschung steht die fortlaufende Europäisierung des schweizerischen Rechts im Vordergrund. Das EU-Recht wird auch in der Schweiz zum gelebten ius commune. Dieser Prozess ist demokratietheoretisch und rechtsetzungstechnisch problematisch, bietet wissenschaftlich aber ein wunderbares Tummelfeld für interessante Forschungsprojekte.

Auch das Recht ist dem steten Wandel der Zeit ausgeliefert. Was hat sich seit Ihrem Studium verändert?

Mein Studium gestaltete sich weitgehend Internet-, E-Mail- und Powerpoint-frei. Heutzutage erhalten wir Dozierende schlechte Evaluationen, wenn wir ohne Powerpoint-Folien zum Katheder schreiten. Ebenso gehören Internetrecherchen zu unserer täglichen Arbeit. Umgekehrt macht es die heutige Informationsflut aber auch deutlich schwieriger, die Perlen unter all den «me too»-Publika­tionen zu entdecken.

Gibt es neben Recht ein weiteres Gebiet, über das Sie gerne schreiben würden?

Es würde mich reizen, ein literarisches Werk – einen Krimi, einen Roman? – zu verfassen, in dem Personen verschiedener juris­tischer Berufsstände Hauptrollen spielen. Ich denke an Professoren, Untersuchungsrichter, Wirtschaftsanwälte, Verwaltungsjuristen, Strafverteidiger oder Richter. Ich würde versuchen, ihre stereotypen Charaktereigenschaften und «Mödeli» humorvoll zu karikieren.

Wie schaffen Sie sich einen Ausgleich zum spannenden, aber anstrengenden Berufsalltag?

In mussevollen Momenten versuche ich, Ordnung in Tausende von unbearbeiteten Fotos zu bringen, welche sich auf meiner Festplatte tummeln, fahre in die verschneiten Berge, zupfe auf meiner Gitarre herum oder gönne mir in geselliger Runde ein Bier (zu viel).

Können Sie uns eine interessante Geschichte aus Ihrem Berufsalltag erzählen?

Als «WTO-Rechtler» war es ein Highlight, die Schweiz im Steel Case von 2003 vor dem WTO Appellate Body zu vertreten. Wir obsiegten vollumfänglich und hätten wohl Gegenmassnahmen (Strafzölle) erlassen, wenn die Vereinigten Staaten die unrechtmässigen Schutzmassnahmen nicht umgehend aufgehoben hätten. Das passiert nicht alle Tage: Die Schweiz droht (zugegebenermassen im Verbund mit den anderen klägerischen Parteien, u.a. der EU) den Vereinigten Staaten erfolgreich mit Gegenmassnahmen!

Über was können Sie lachen, was stimmt Sie traurig?

Herzhaft gelacht habe ich letzthin bei einem Auftritt von Josef Hader, dem österreichischen Kabarettmeister. Traurig stimmt mich, wenn ich vor lauter Herumhetzerei und Deadlines vergesse, das Lachen meiner Liebsten zu geniessen.