Wer ist Prof. Dr. Andreas Eicker?

18.06.2010

Warum haben Sie sich für das Jurastudium entschieden?

Das war am Anfang sicher weniger eine emotionale als eine rationale Entscheidung. Mit Rücksicht auf persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, Berufsaussichten usw. habe ich mich zum Jurastudium entschlossen. Richtig fasziniert hat mich die Materie aber erst, als ich bereits im Studium an der Universität Bremen die Gelegenheit bekam, ein grösseres Buchprojekt im Bereich Strafvollzug zu initiieren und zu realisieren, und auch als Assis­tent in der Lehre mitarbeiten konnte. Dort liegen quasi meine persönlichen Wurzeln für eine Tätigkeit in Forschung und Lehre. Die Begeisterung dafür hat mich durch das Studium getragen und kann sich in meiner heutigen Position nun weiter entfalten.

Worin liegt für Sie heute die Heraus­forderung, Recht zu praktizieren, Recht zu lehren oder über Recht zu schreiben?

In der Lehre sehe ich eine Herausforderung darin, auf die stetig wachsenden Erwartungen der Studierenden zu reagieren. Diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Der Professor und die Professorin und der gesamte Lehrstuhl werden heute viel stärker als ganzheitlicher Dienstleister wahrgenommen. So berechtigt die damit verbundenen Erwartungen auch sind, darf meines Erachtens nicht vergessen werden, die Studierenden auch zum selbstständigen Recherchieren, Formulieren, Forschen, kreativen Denken usw. anzuregen. Der notwendige Freiraum dafür darf den Studierenden nicht durch zu viel vorgefertigte und abrufbare Dienstleistungen genommen werden. Nur aus Freiraum entsteht Kreativität. Dafür müssen wir die geeigneten Lehrgefässe und Lehrformen entwickeln und umsetzen.

Über Recht zu schreiben ist, wenn man ein anspruchsvolles Thema wählt, wohl immer eine Herausforderung. Im Moment beschäftigt mich und meinen Lehrstuhl z.B. das Verwaltungsstrafrecht, welches in seinem Verhältnis zum StGB-Strafrecht mit seinem neuen Allgemeinen Teil und zur neuen StPO (ab 2011) in weiten Teilen ungeklärt scheint. Auch die «Prozeduralisierung des Strafrechts», welche Thema meiner gerade erschienenen Habilitationsschrift ist, wird für mich eine Herausforderung in der Forschung bleiben.

Auch das Recht ist dem steten Wandel der Zeit ausgeliefert. Was hat sich seit Ihrem Studium verändert?

Die Wahrnehmung des Rechts im Studium ist sicher eine andere, das Recht wird fragmentarischer wahrgenommen. Zwar hat das Strafrecht tatsächlich fragmentarischen Charakter, doch scheinen mir die Erwartungen, die an das Recht und insbesondere auch an das Strafrecht herangetragen werden, immer grösser zu werden. Der Gesetzgeber scheint unter diesem Eindruck geneigt, immer rascher und immer mehr Gesetze zu schaffen, die vermeintlich Probleme lösen und vielleicht letztlich doch nur Symbolik sind.

Gibt es ein berufliches Projekt, welches Sie noch nicht in Angriff genommen haben, aber an dem Ihnen viel liegt?

Ich würde mich gerne mehr mit dem Strafrecht aus mir fremden Rechtsordnungen befassen. Ich denke, das hilft, fremde Kulturen in ihrem Denken und in ihren Entscheidungen zu verstehen, und bereichert sicher auch das eigene Rechtsverständnis.

Gibt es neben Recht ein weiteres Gebiet, über das Sie gerne schreiben würden?

Wenn ich mir abends für meinen fast dreijährigen Sohn Geschichten ausdenke, habe ich schon einige Male überlegt, diese zu Papier zu bringen. Ein Renner ist die Geschichte vom rosaroten Elefant und der Giraffe, die durch die Savanne in Afrika streifen. Vielleicht ist diese Geschichte aber auch nur so beliebt, weil gerade ich sie ihm erzähle, und hätte in einer anderen Vater-Kind-Beziehung keinen Reiz.

Wie schaffen Sie sich einen Ausgleich zum spannenden, aber anstrengenden Berufsalltag?

Ganz sicher ist die Familie mein Rückhalt und mein Ausgleich. Aber ich arbeite sehr gerne, und der Spass bei der Arbeit ist in gewisser Weise auch ein Ausgleich für Verpflichtungen im Privaten; gerade Kindererziehung ist zwar eine bereichernde, aber auch eine enorm anspruchsvolle und auch anstrengende Aufgabe. Zudem versuche ich gerade an den Wochenenden die Schweiz noch besser kennenzulernen und habe durch meinen neuen Standort in Luzern tolle Ziele in der Zentralschweiz, die es zu entdecken gilt.

Über was können Sie lachen, was stimmt Sie traurig?

Am liebsten lache ich über meinen Sohn, der eben begonnen hat, eine interessante Mischung aus Schweizerdeutsch, Hochdeutsch und Spanisch (meine Frau ist Argentinierin) zu sprechen. Gelacht habe ich z.B. vor Kurzem, als er meinte, ich solle besser die Treppe «abbegumpe» ... Mir war dieses Wort bis dahin unbekannt, und ich habe mich gefreut, zu hören, wie selbstverständlich er im Schweizerdeutsch ankommt. Ich muss gestehen, dass ich befürchte, dass mir das – zumindest was das Sprechen anbelangt – wohl nicht gelingen wird.

Traurig, auch wenn das sicher ein zu starkes Wort dafür ist, macht mich die zunehmende Anonymisierung des Alltags, die mir mit seiner zunehmenden Technisierung Einzug zu halten scheint.