Weihnachten war einst anders …

In Polen wurde das Weihnachtsfest immer schon ersehnt, vor allem von den Kindern – der Schnee, gemeinsame Vorbereitungen, Weihnachtsgerüche und Geschenke gehörten immer dazu. Vorher, als es in den Geschäften an Waren mangelte (in den 70er- und 80er-Jahren in den kommunistischen Ländern), musste man sehr erfinderisch und dabei noch aufopfernd sein, um der Familie ein schönes Weihnachtsfest zu si­­-chern – damit der Tisch nicht leer war und unter dem Weihnachtsbaum auch Geschenke zu finden waren. Vieles musste man selbst machen. Traditionelle Weihnachtsgerichte, die in jedem Haus selber zubereitet wurden, sind zum Beispiel Rote-Bete-Suppe, Teigtaschen mit Pilzfüllung, Sauerkraut, Karpfen sowie Pastete und Kuchen. Fertiggerichte gab es nicht. Weihnachten bedeutete ein Durcheinander in der Wohnung, stundenlanges Schlangestehen, um den Karpfen oder den Hering zum Beispiel direkt vom Lieferwagen auf der Strasse zu ergattern. Jeder derartige Erfolg wurde von der in der Küche stehenden, hart arbeitenden Mutter enthusiastisch begrüsst.

Die Weihnachtsdüfte waren unvergesslich. Es roch nicht nur nach vorbereiteten Gerichten, sondern auch nach Bohnerwachs, der heutzutage höchstwahrscheinlich nirgends mehr benutzt wird. Mit dem lackierten Parkettboden ist uns die Pflicht genommen worden, den Holzboden in der ganzen Wohnung vor Weihnachten im Schweisse unseres Angesichts auf Hochglanz zu bohnern.

Was Geschenke angeht, gab es weder Geld noch die Möglichkeit, irgendetwas zu kaufen. Die Kinder haben füreinander, aber auch für erwachsene Familienmitglieder gebastelt. Und dies – um die Überraschung nicht zu verderben – in aller Heimlichkeit. Diese Geschen­ke waren Kunsthandwerke. Für Kinder besorgte man einfache und billige Geschenke, die sowieso mit grosser Begeisterung entgegen­-genommen wurden.

Diese Zeit ist um. Heutzutage haben wir den freien Markt, einen Reichtum an Waren und unvergleichbar mehr Möglichkeiten, die nötigen Sachen für Weihnachten zu besorgen. Wir brauchen auch nicht mehr alles selbst zu machen. Fertige Weihnachtsgerichte gibt es in den Geschäften oder in Restaurants, sogar mit Lieferung bis an die Haustür. Einerseits ist das sehr gut, aber andererseits haben wir unwiederbringlich etwas verloren, nämlich die Zeit, die man zusammen in der Küche oder beim Zusammenkleben einer bunten Papierkette für den Weihnachtsbaum verbracht hat. Man kann natürlich diese Sitte pflegen, aber es scheint heutzutage irgendwie nicht mehr natürlich zu sein.

Von den Weihnachtsbräuchen, die heutzutage noch gelebt werden, ist einer nennenswert. Es ist Tradition, einen zusätzlichen Platz am Weihnachtstisch «für den verirrten Wanderer» zu decken, also für unerwarteten Besuch und als Zeichen der Gastfreundschaft. Schön ist auch das Teilen mit den Armen oder ein gemeinsames Weihnachts­essen mit den Obdachlosen, das meist von den kirchlichen Wohltätigkeitsvereinen oder von Stadtverwaltungen in oft besuchten öffentlichen Lokalen organisiert wird.

Aber am wichtigsten zu Weihnachten ist das Familientreffen. Junge Menschen, die schon selbstständig geworden sind und meist weit von zu Hause wohnen und arbeiten, besuchen ihre Familienhäuser, wo sie geboren und aufgewachsen sind. Es ist sehr wichtig, damit die Familien zu dieser schönen Zeit miteinander reden (oder schweigen) können.

Übersetzung aus dem Polnischen: Joanna Brzyska