• Editorial

Stil haben

«Böse müssen die Menschen gar nicht sein, es genügt, dass sie kein Rückgrat haben.» – James Baldwin, «The Fire Next Time»

Stil haben, das möchten viele. Namentlich Jugendliche und junge Erwachsene eifern Influencerinnen und Influencern nach, die stilprägend sind. Sie tun dies um den Preis ihres eigenen Stils. Stil ist Ausdruck von Haltung, und Haltung kommt von innen und kann nicht nachgeahmt werden. Haltung gründet in einer verbindlichen Werthaltung und einer gesunden Selbstsicherheit. Stil meint dann, dass jemand etwas in einer Art tut, die Selbstsicherheit, Gradlinigkeit und Anstand ausdrückt.

Das ist jedoch nicht die einzige Bedeutung des Wortes Stil. Stil kennen wir in der Kommunikation auch als Schriftarten (und natürlich auch als Schreibstil). Die Stämpfli Gruppe nutzt in erster Linie die Stile Suisse International und Suisse Works, für E-Mails Arial, ein weltweit verbreiteter Schriftstil. Schriftstile verändern sich mit dem Zeitgeist. Die Frutiger kommt ins reife Alter, die Bodoni gilt bereits als veraltet, die Times ist zeitlos, und eine Frakturschrift können viele schon gar nicht mehr lesen.

Jede Szene und jede gesellschaftliche Schicht hat ihren Kleidungsstil; wer sich in ihr bewegt, tut gut daran, den Dresscode zu akzeptieren, um nicht unangenehm aufzufallen. Über Kleidungsstil lässt sich treffend streiten: Was ist richtig oder falsch? Unser Vater war davon überzeugt, dass es respekt- und stillos ist, ohne Anzug und Krawatte arbeiten zu gehen. Wir sehen das heute anders, auch wenn noch 2015 zu lesen war: «Der Anzug ist eine Säule der Männlichkeit.»1

Bei der Kunst gibt es endgültig kein Richtig oder Falsch. Kunst hat zwar Stile, die ganze Epochen prägen, doch Kunst ist frei und darf vieles. Wenn jemandem ein Kunststil nicht passt, muss deshalb die Kunst nicht schlecht sein. Eine Künstlerin kann Stil haben, dann aber ist ihr persönlicher Auftritt gemeint, meist ungeachtet dessen, was sie erschafft. Sportler werden als stilsicher beurteilt, wenn sie ein Skirennen gekonnt fahren oder das Bodenturnen fehlerfrei absolvieren. Wie sehr stilsichere Sportler nicht unbedingt Stil haben müssen, merken wir spätestens bei Interviews, wenn es darum ginge, eine Haltung, Rückgrat oder zumindest eine gefestigte Meinung zu vertreten.

Wer taktvoll auftritt, vermeidet es, andere zu beschämen oder ihre Würde zu verletzen. Schon nur deshalb sind die meisten sozialen Medien stillos. Instagram und Co. sind zu Medien der Beschämung und Verantwortungslosigkeit geworden. In ihnen werden zunehmend Menschen blossgestellt, beschuldigt, nicht ernst genommen und vorverurteilt. Das ist schlechter Kommunikationsstil, überhaupt schlechter Stil – und lässt sich vermeiden, was aber eben eines verlangt: eine verlässliche Haltung. Wer Stil hat, verletzt nicht.

Peter Stämpfli
Verwaltungsratspräsident
Stämpfli Kommunikation
+41 31 300 62 02