Paradiesvogel im goldenen Käfig

Diplomaten schreiben oft, aber ihre Beobachtungen und Analysen sind in der Regel nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern richten sich an einen kleinen Kreis von Spezialisten an der Zentrale, das heisst im Aussenministerium und in anderen Bundesstellen in Bern. Das ist mit ein Grund, weshalb die Diplomatie in weiten Kreisen der Bevölkerung als etwas Unfassbares, Mysteriöses wahrgenommen wird, ein Metier auch, gegen das allerlei unausrottbare Vorurteile gehegt werden. Diese wenig befriedigende Sachlage hat in mir den Entscheid reifen lassen, aufgrund meiner eigenen Erfahrungen darzulegen, was die Tätigkeit eines Diplomaten ist beziehungsweise was sie nicht ist. Als ehemaliger Schweizer Diplomat habe ich nämlich immer wieder feststellen müssen, dass der Diplomatenberuf eigenartigen, bedingt differenzierten und manchmal sogar böswilligen Unterstellungen ausgesetzt ist.

Einblicke in ein Diplomaten­leben

Im ersten Teil des Buches wird Einsicht gewährt in die Höhen und Tiefen meiner Diplomatenlaufbahn, die die ausländischen Statio­nen Polen, Indonesien, Mexiko, Jordanien, Singapur, Brunei, Syrien und die Türkei umfasste, im Wechselspiel mit Einsätzen an der Zentrale. Im Ausland führt der Diplomat in dem vom Staat vorgegebenen Rahmen eine privilegierte Existenz – er ist eben «Paradiesvogel im goldenen Käfig». Das Diplomatenleben kann aber auch von Leiden und unerfüllten Karrierehoffnungen geprägt sein.

Dennoch: Dem Diplomaten bietet sich die einzigartige Gelegenheit, während einer bestimmten Zeit einflussreiche Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft kennenzulernen, einen vertieften Einblick in die Verhältnisse und das Wesen eines anderen Landes zu gewinnen und dort gleichzeitig die Interessen des eigenen Entsendestaates vertreten zu dürfen. Der Aufbau des diplomatischen Inspektorats zur Überprüfung von Leistungsaufkommen und Führungsverhalten an der Aussenfront versetzte mich überdies in die Lage, Vorgänge an der Zentrale ebenfalls kritisch unter die Lupe zu nehmen, was selbst Magistratspersonen einschliessen konnte.

Plädoyer für den Diplomaten­beruf

Der zweite, kürzere Teil des Buches ist ein Plädoyer für den Diplomatenberuf im Wandel der Zeit. Die Revolution im Kommunika­tionswesen hat nicht dazu geführt, die Diplomatie überflüssig zu machen. Wer solches behauptet, verkennt gänzlich das Wesen dieses Metiers. Die dem Diplomaten gestellten Aufgaben haben indessen eine teilweise Neuausrichtung erfahren. Im Übrigen liegt mir daran, mit der Mär aufzuräumen, die Diplomaten zahlten keine Steuern und lebten trotz einigen Privilegien als abgehobene Kaste ein Leben in Saus und Braus. Es ist mir schliesslich ein besonderes Anliegen, die von den Gattinnen und Gatten geleistete – und oft übersehene – Arbeit auf freiwilliger Basis zu würdigen: Sie stehen einem grossen Haushalt vor und haben an der Seite der Diplomaten und der Diplomatinnen, gerade etwa im Bereich der Repräsentation, eine äusserst wichtige Rolle zu spielen.

Trotz aller Kritik – oder ist es Neid? – und trotz allen Schwierigkeiten und manchmal sogar Gefahren ist die Diplomatie ein Me­tier, das an Vielgestaltigkeit und Lebendigkeit nichts zu wünschen übrig lässt.