Mario Botta − vom Zeichner zum Architekten

Mario Botta, 1943 geboren, verbringt seine Jugend bei Mendrisio nahe der Grenze zu Italien. Früh erkennt er seine Leidenschaft für das Zeichnen und die Kunst. Nach der Mittelschule absolviert er die Hochbauzeichnerlehre im Architekturbüro von Tita Carloni, wo seine gestalterische Begabung entdeckt und gefördert wird. Von dem Beruf begeistert, beschliesst Botta, nach der Lehre das Kunstgymna­sium in Mailand zu besuchen, um anschliessend Architektur an der Universität in Venedig zu studieren. Hier kann er sich Architekturgrössen jener Zeit nähern, die seinen beruflichen Werdegang und seinen architektonischen Ausdruck stark beeinflussen. Carlo Scarpas Lehren, die Arbeit im Atelier von Le Corbusier in Venedig und die Assistenzarbeit für Louis Kahn beschreibt Botta als ausserordentlich bereichernd.

Von Einfamilienhäusern …

Nach dem Studium kehrt er ins Tessin zurück. Er baut seine ersten Einfamilienhäuser und beteiligt sich mit den Kollegen Galfetti, Snozzi, Ruchat und Carloni an Architekturwettbewerben. Die Tessiner Architekten stossen im In- und Ausland auf grosses Interesse, der Eifer und Idealismus der Siebzigerjahre, neue Lebensformen und Lebensräume zu schaffen, ist überall spürbar.

… über Kulturbauten …

Bottas Interesse im Ausland verstärkt sich Anfang der Achtzigerjahre, da er in Frankreich das Kulturzentrum in Chambéry (1982−1987) und die Mediathek in Villeurbanne (1984−1988) bauen kann.

Nach einer ersten Werkausstellung in Venedig 1985 widmet ihm nur ein Jahr später das MoMA in New York eine Einzelausstellung. Mario Botta setzt sich mit den unterschiedlichsten Themen auseinander, er baut Wohn- und Geschäftshäuser, Museen, Bibliotheken und nicht zuletzt seine Kirchbauten.

Zu den wichtigen Bauten zählen die Einfamilienhäuser der Achtzigerjahre, die Gotthard-Bank in Lugano (1988), die Galerie Watari-um in Tokio (1990), das SFMoMA (1995), die Kathedrale in Evry bei Paris (1995), das Tinguely-­Museum in Basel (1996), das Centre Dürrenmatt in Neuchâtel (2000), aber auch die Stadt- und Landesbibliothek in Dortmund (1997), das Mart in Rovereto (2002), Kirchbauten in Turin (2006) und Seriate (2004) bei Bergamo, die Wellnessbergoase in Arosa (2004) und die erst vor Kurzem realisierte Bibliothek der Tsinghua-Universität in Peking (2011).

… bis zu Sakralbauten

Der Bau der 1986 entworfenen Kirche in Mogno (Maggiatal, CH) löst bei ihm ein besonderes Interesse für Sakralbauten aus: Hier findet Architektur ihren vollen Ausdruck, wobei nicht nur Elemente wie Geometrie und Licht den Raum prägen, sondern auch die Idee, im Neuen die Erinnerung an die Vergangenheit hervorrufen zu können. Botta, der gerne seine Affinität zu den romanischen Bauformen offenbart, bevorzugt massive Baumaterialien − Naturstein, Backstein oder Beton −, die er mit einer streng geometrischen, schlichten Formensprache, mit Licht- und Schattenspiel gekonnt zum Ausdruck bringt.

Lehren und bauen

Stets aber ist ihm als Architekt auch die Lehrtätigkeit an Universitäten und Schulen wichtig gewesen. Erfahrungen, die ihn veranlassen, im Auftrag der Schweiz und später des Kantons Tessin eine neue Architekturschule zu entwickeln und mitzugründen, die seit 1996 in Mendrisio erfolgreich geführt wird.

Sein Architekturbüro zählt heute rund 30 Mitarbeitende. Grosse und kleine Projekte entstehen bis zu einer detaillierten Werkplanung in seinem neuen Atelier in Mendrisio, Arbeiten im Ausland werden zusammen mit lokalen Architektenpartnern ausgeführt. In den letzten Jahren haben sich die Projekte von Europa nach Asien, vor allem aber nach China, verlagert. Zurzeit arbeitet Mario Botta an der neuen Kunstgalerie der Tsinghua-Universität in Peking, an einem Hotel in Schanghai, am Masterplan für die chinesische Kunstakademie in Sheng­yang und an einer Kathedrale in Südkorea.

Zu den wichtigen Bauten zählen die Einfamilienhäuser der Achtzigerjahre, die Gotthard-Bank in Lugano (1988), die Galerie Watari-um in Tokio (1990), das SFMoMA (1995), die Kathedrale in Evry bei Paris (1995), das Tinguely-­Museum in Basel (1996), das Centre Dürrenmatt in Neuchâtel (2000), aber auch die Stadt- und Landesbibliothek in Dortmund (1997), das Mart in Rovereto (2002), Kirchbauten in Turin (2006) und Seriate (2004) bei Bergamo, die Wellnessbergoase in Arosa (2004) und die erst vor Kurzem realisierte Bibliothek der Tsinghua-Universität in Peking (2011).


Wie viele andere auch kannte ich Mario Botta seit Jahren. Ich kannte seinen Ruf, seine Person, die sich ab und zu in den Gassen von Mendrisio blicken liess, mit dem unverwechselbaren Haarschopf. Ich kannte ihn aber vor allem deswegen, weil seine Bauwerke im Tessin für uns zur Gewohnheit wurden: In Lugano trifft man leicht auf seine runden Bauten, durchquert man die ländliche Gegend von Stabio, entdeckt man eines seiner legendären Einfami­lienhäuser, erreicht man Campione d’Italia, wird man von der stattlichen Präsenz des Casinos geradezu überwältigt. Um nicht von meinem ersten Gymnasialjahr zu sprechen, das ich in den von Botta entworfenen avantgardistischen Schulräumen verbracht habe, mit dem unvergesslichen steinernen Riesen, der draussen halb im Rasen versunken war und uns zuzwinkerte, während wir in den Schulbänken Geometrie, Chemie und Mathematik lernten.

Fragen über Fragen …

Botta war somit auch für mich eine familiäre Präsenz. Und doch fragte ich mich immer wieder, wer dieser Mario Botta in Wirklichkeit war. Wo hatte er gelebt, wie kam er zur Architektur? Wie war sein Charakter? Waren die Gerüchte über ihn wahr? War er der scheue Mann, wie ihn so viele beschrieben, oder der gesellige Professor, der mit allen einen leichten Umgang pflegte? Je mehr ich mich wunderte, desto mehr wollte ich wissen, was für eine Person hinter diesem Mythos steckte.

… und erst mal keine Antworten

Ich ging über die Bücher, sammelte Informationen in der Bibliothek und übers Internet. Aber über Mario Botta selbst gab es so gut wie gar nichts. Pardon, es gab natürlich Hunderte von Publikationen: Bücher, Auszüge, Essays, Monografien, Kataloge … Aber keines dieser Bücher handelte von seiner Person. War das möglich? Konnte es sein, dass ein Mann von solcher Grösse, der international bekannt war und ausserordentliche Bauwerke geschaffen hatte, nie nach seiner Geschichte, seinem Leben, seiner Ausbildung, seinem emotionalen Bezug zur Architektur, seiner Neugier und seiner unvermeidlichen Leidenschaft befragt worden war? War es möglich, dass ein Werk von solcher Bedeutung einem Laien nie erklärt worden war?

Keine einfache erste Begegnung

Ich beschloss – falls ich ihn dafür gewinnen konnte –, dieses Buch selbst zu schreiben, und stellte mich eines Tages Botta in seinem Atelier in Lugano vor. Es war keine einfache Begegnung. Botta war zuerst sehr zurückhaltend: «Warum noch ein Buch? Es gibt doch schon so viele!» Ich erklärte ihm meine Idee und zitierte so gut ich konnte meine neu erworbenen Kenntnisse über seine Architektur. Ich hoffte, ihn so überreden zu können, und dank seiner Grosszügigkeit gelang dies schliesslich auch. Wir vereinbarten die Termine für unsere Treffen. Es folgten lange und spannende Gespräche: Er erzählte von seiner Kindheit, den Schuljahren in der Mittelschule, im Gymnasium, der Studienzeit an der Universität in Venedig, er blickte auf seine fünfzigjährige Karriere zurück. Botta sprach ununterbrochen, präzis und detailliert von allem, von der jugendlichen Leidenschaft fürs Zeichnen und für die Kunst bis zu seinen Errungenschaften in der Architektur: Projekten, Erfolgen, Enttäschungen, Reisen, Publikationen, Ausstellungen. Zum ersten Mal, seit ich begonnen hatte, über ihn zu lesen, erkannte ich die Bedeutung der Architektur. Er sprach so deutlich und klar darüber, was für einen Sachkundigen selbstverständlich sein konnte. Begeistert nahm ich alles auf und verarbeitete das Gespräch zu einem Buch. Botta überarbeitete seine Aussagen, fügte Details hinzu, liess überflüssige Passagen weg, ergänzte, wo zu ergänzen war, mit grosser Aufmerksamkeit und Hingabe, die ich sehr geschätzt habe.