Italienische Migrantinnen und Migranten der ersten Generation

Ich freute mich ausserordentlich, als ich eine Ausgabe des Bandes «Daheim in Italien – zu Hause in der Schweiz» in den Händen hielt. Im Zentrum dieses Buches stehen jene Migranten, die in den 50er- und 60er-Jahren in die Schweiz kamen, um zu arbeiten und so der Armut in ihrer Heimat zu entfliehen. Viele von ihnen sind geblieben und fühlen sich heute hierzulande weniger fremd als in der ursprünglichen Heimat. Jene Italiener der ersten Generation sind älter geworden, und es ist notwendig, sich mit ihrer Integration auch heute noch zu befassen.

Dieses Thema begann mich zu beschäftigen, als auch in meiner Verwandtschaft Leute in den Ruhestand traten, die Anfang der 60er-Jahre in die Schweiz eingereist sind. Ich habe grosse Achtung vor vielen dieser Menschen. Nicht zuletzt, weil sie mit einem oft eisernen Willen und Durchhaltevermögen den Weg für weitere Migrationsgenerationen ebneten und den Demütigungen, die sie zu Beginn erleben mussten, standhielten. Ich unterhielt mich unlängst mit meinem Onkel. Auch er kam zu jener Zeit in die Schweiz. Ausser 30 000 Lire und ein paar «Lumpen» hatte er nichts. Der Zug brachte ihn von Neapel nach Thun. Am Anfang wohnte er in schwierigen Verhältnissen und teilte sich ein Zimmer mit drei Landesgenossen. Das Wasser musste noch am Dorfbrunnen geholt werden, und gekocht wurde auf dem Flur. Dank seinem grossen Fleiss arbeitete er sich als Automechaniker rasch ein und passte sich den Gegebenheiten an. Noch gut in Erinnerung seien ihm die Überfremdungsinitiativen sowie die Vorurteile, denen die Migranten damals ausgesetzt waren. Oft blieb man einfach unter sich und mied den Kontakt zu den Einheimischen. Man war ohnehin überzeugt, bald in die Heimat zurückzukehren, und die sprachlichen, aber auch die kulturellen Barrieren blieben bestehen.

Obwohl sich viele dieser Menschen unterdessen endgültig in der Schweiz niedergelassen haben, gibt es in Sachen Integration noch viel zu tun. Immer häufiger werden Deutschkurse für betagte Migranten angeboten. Damit soll ein sozialer Netzausbau im Alter vereinfacht werden. Das Angebot an kulturellen Anlässen für ältere Migranten, die die katholische Kirche organisiert, nimmt zu. Anderseits entstehen beispielsweise in Zürich sogenannte «Mittelmeerabteilungen» in verschiedenen Altersheimen. Das Pflegepersonal setzt sich mit der Kultur dieser Menschen auseinander, um sich ein Verständnis für deren Pflege zu verschaffen.

Heute besitzt mein Onkel seine eigene Garage und ist mit seiner aufgestellten Art und seinem lustigen «italienischen» Berndeutsch bei seiner Kundschaft sehr beliebt. Dies ist nur eine der Geschichten, die die Migration schrieb. Andere können in «Daheim in Italien – zu Hause in der Schweiz» nachgelesen werden. Sie haben unser Land auf positive Weise bereichert. Es wuchs an der Herausforderung, die die Integrationspolitik mit sich bringt – und tut es fortwährend.