Falsch verbunden?

Mit erstaunlicher Hartnäckigkeit hält sich die Entschuldigung «falsch verbunden», wenn man sich am Telefon verwählt hat und am anderen Ende eine völlig unvertraute Stimme einen ebenso unbekannten Namen nennt. Tatsächlich stammt der

Ausdruck aus den Anfängen des Telefonierens

In Bern telefoniert man im Stadtnetz, wie ein Korrekturexemplar für das damalige Telefonverzeichnis aus unserem Archiv belegt, seit 1881. Das Dokument enthält auf drei Seiten gut 50 Adressen und gegen zehn Nachträge. Auf der

ersten Seite werden die Abonnen-ten «ersucht, sich genau an die ihnen zugestellte Gebrauchsanweisung zu halten und namentlich zu lautes Sprechen zu vermeiden», sowie «bis zu gegenseitig erlangter grösserer Übung … um etwelche Nachsicht gegenüber der Zentralstation gebeten». Wer in der Firma «Staempfli, Buchdrucker» Zugang zur brandneuen Einrichtung hatte, stellte eine Telefonverbindung her, indem er oder sie den Hörer des Apparates abhob und eine seitlich angebrachte Kurbel betätigte. Daraufhin meldete sich die Telefonistin der Zentrale mit der heute etwas kurios tönenden Frage «Was beliebt?», worauf der Stämpflianer seinen Wunschgesprächspartner bekannt gab. Die Telefonistin drehte nun ihrerseits ihren Kurbelinduktor, rief so den angepeilten Teilnehmer an und stellte die Verbindung zwischen den beiden Abonnenten her.

Im Museum für Kommunika-tion an der Helvetiastrasse 16 ist neben vielen interessanten Zeugen aus den Anfängen des Telefonierens eine kleine Tonbildschau zu sehen, die einen Einblick in die Tätigkeit der damaligen Telefonistinnen gibt. 1881 kannten die Damen ihre Kundinnen und Kunden noch persönlich, und es gehörte dazu, mit dem einen oder andern noch ein Schwätzchen zu halten, bevor die Verbindung hergestellt wurde. Im Lauf der Jahre vervielfachte sich die Abonnentenzahl rasant, die Zentralen wurden mit einem Stöpselsystem moderner – und der Beruf immer hektischer. Anschaulich wird gezeigt, wie ungeduldige Teilnehmer ihrem Unmut gegenüber der armen Frau im Amt Luft machten, wenn die Verbindung nicht auf Anhieb klappte. Dass man bei solchen Verhältnissen dann und wann «falsch verbunden» wurde, ist leicht vorstellbar. Das automatische

Telefon mit Wählscheibe

war kurz vor der Jahrhundertwende erfunden worden. 1902/1903 entstand in Chicago die erste grosse automatische Telefonzentrale. Im Unterschied zum Telefon selber, das in Europa und in der Schweiz innerhalb von wenigen Jahren nach der Entwicklung eines praxistauglichen Systems Einzug gehalten hatte, verzögerte sich die Automatisierung der Zentralen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. In der Schweiz gab es erst 1917 die erste selbsttätige Telefonzentrale in Zürich-Hottingen.

Traurig bemerkt die Telefonistin der erwähnten Tonbildschau, mit dem damals beginnenden Siegeszug der Automation sei sie schliesslich arbeitslos geworden. Nur die Redewendung «falsch verbunden» hält sich unter den über sechs Millionen Abonnenten, die heute schweizweit in 25 Telefonbüchern eingetragen sind, zäh am Leben.