Die Blaulichtorganisation

In unserem Land liegt die Verantwortung für die zivile Sicherheit in den Händen der Kantone. Sie sind abschliessend verantwortlich dafür, dass Polizei, Feuerwehr und Sanität funktionieren. Effektiv und zeitgerecht. Die Lösungsansätze der Kantone – der Föderalismus lässt grüssen – sind aber keineswegs einheitlich, im Gegenteil: Jeder macht, was er will. Typisch Schweiz.

In der Grossstadt London wohnen etwa gleich viele Menschen wie in der gesamten Schweiz. In London gibt es eine einzige ­Polizei und eine einzige Feuerwehrorganisation. In der Schweiz gibt es 26 kantonale Feuerwehrgesetze, die jeweils die Verantwortung für die Feuerwehraufgaben an die Gemeinden delegieren. Während es also in London eine Feuerwehr gibt, gibt es bei uns 26 verschiedene Feuerwehrgesetzgebungen und etwa 1500 Feuerwehrorganisationen, die für die Sicherheit der Bevölkerung in der Schweiz im Bereich der Schadenabwehr zuständig sind.

Im Bereich der Polizei zeigten sich in den letzten Jahren Trends zur Einheitspolizei. Immer weniger Städte leisten sich ein eigenes Polizeikorps, und die Tendenz zur ­Zusammenlegung der Korps der Gemeindepolizeien und der Kantonspolizei hält weiter an. Dass dies grosse Vorteile mit sich bringen kann, zeigt das Berner Modell oder der Kanton Aargau mit einem Lösungsansatz mithilfe der Regionalpolizeikorps.

Organisatorischer Wildwuchs

Im Rettungswesen, also im Bereich der ­Ambulanzen, herrscht nach wie vor unüberschaubarer Wildwuchs. In einigen Regionen, wie im Oberwallis, betreuen drei regionale private Organisationen das gesamte Rettungswesen unter Beizug der Notärzte aus den regionalen Spitälern. In anderen Regionen, wie im Aargau, konkurrenzieren sich Ambulanzdienste von Regionalspitälern mit privaten Anbietern.

Unser Land ist also auch im Bereich der ­zivilen Sicherheit eher kompliziert als einfach, und alle Beteiligten verteidigen ihr Gärtchen. Doch halt: Es gibt ein gemeinsames Dach, und das heisst Bevölkerungsschutz. Früher war das Bundesamt für Zivilschutz für den Zivilschutz zuständig – seit einigen Jahren heisst es Bundesamt für ­Bevölkerungsschutz. Mal abgesehen von den Leistungen und der konkreten Wirkung dieses Beamtenapparates in der Fläche: Die Idee ist gut. Noch haben es nicht alle – es grüsst auch hier wiederum das Gärtchenden­ken – ­begriffen, aber das System funktioniert. Vor allem dort, wo die Ereignisse dafür sorgen, dass man versteht, dass alle Formationen des Bevölkerungsschutzes gemeinsam funktionieren müssen – das ist zum Bespiel in ­­den Gebirgs­kantonen der Fall, die regelmässig mit extremen Naturereignissen wie Hochwasser oder Waldbränden zu kämpfen haben.

Trotzdem Effizienz im Ernstfall

Doch führen wir uns nun ein anderes Beispiel vor Augen, stellen wir uns folgendes Szenario vor: Im Bahnhof Musterstädtchen gibt es eine Weichenstörung. Ein Zug mit rund 500 Passagieren entgleist. Vier Waggons springen aus den Schienen und liegen auf der Seite. Was passiert?

Nach dem Alarm rücken die Feuerwehr Burg­dorf und die in der Nähe stationierten Patrouillen der Polizei aus. Die Polizei sperrt ab. Die Feuerwehr kümmert sich erst einmal darum, dass die Spezialisten der SBB – diese gehören unter dem Begriff technische Werke ebenfalls zum System Bevölkerungsschutz – die Leitungen stromlos machen. Dann kümmern sich die Angehörigen der Feuerwehr um die Sicherung der Zugkomposition und in Zusammenarbeit mit den ersten Ambulanzen um die Rettung der Schwerverletzten.

Aber es sind 500 Menschen im Zug, die versorgt und betreut sowie irgendwo untergebracht werden müssen. Der Feuer­wehrkommandant alarmiert seine Nachbar­feuerwehren und das Erstdetachement des Zivilschutzes, und eine Stunde nach dem Unfall sind über 120 Retter auf dem Schadenplatz. 70 Feuerwehrleute aus Burgdorf und von den Nachbarfeuerwehren, 15 Ambulanzequipen mit 30 Leuten und einem Einsatzleiter und 6 Polizeipatrouillen à 2 Mann sowie die Spezialisten der technischen Werke.

Die Zivilschützer helfen bei den Rettungen, betreuen die Opfer und beginnen damit, für die Betroffenen geschützte Räume bereitzustellen und auch die Verpflegung für die Opfer und die Einsatzkräfte zu organisieren. Zahlreiche Ambulanzen und Rettungshelis aus der weiteren Umgebung treffen ein. Die Arbeiter der technischen Werke versuchen inzwischen das Burgdorfer Stromnetz wieder hochzufahren, das infolge des Unfalls in Teilen der Stadt ausgefallen ist. Die Polizisten ihrerseits sind vor allem mit der unangenehmen Aufgabe beschäftigt, sensationslüsterne Passanten und die ersten eintreffenden Katastrophentouristen vom Schadenplatz fernzuhalten.

Verbesserung gegenüber früher

Die Zeiten haben sich – Gott sei Dank –

geändert. Es gab eine Zeit, da kamen die Polizeier noch in Galauniform und standen den anderen in Lackschuhen im Weg. Es gab eine Zeit, da galt der Grundsatz der Feuerwehr: Wir regeln alle Probleme. Und es gab auch eine Zeit, da kamen die Ambulanzen und warteten getreulich, bis die Opfer eines Unfalls bei ihnen abgeliefert wurden. Das ist definitiv vorbei.

Heute trifft man sich spätestens innert ­Minuten nach einem grösseren Unfall zum ersten Abspracherapport. Die Ambulanzer bestimmen, ob die Feuerwehren schnelle Crash-Rettungen oder patientenschonende «langsame» Bergungen vornehmen sollen. Die Polizeier sorgen dafür, dass der Schadenplatz den Rettern vorbehalten bleibt und nicht irgendwelchen anderen Personen. Die technischen Werke sorgen dafür, dass für die nicht betroffene Bevölkerung möglichst rasch wieder der Normalzustand hergestellt werden kann.

Wir verfügen in der Schweiz über ein Rettungssystem, das im Verbund funktioniert. Wir dürfen uns darauf verlassen. Aber wir sollten es auch pflegen und die nötigen Rahmenbedingungen garantieren, damit es weiterhin funktioniert. 


Die Feuerwehr

Der SFV, der Schweizerische Feuerwehrverband, ­vertritt die Interessen aller 90'000 Feuerwehrleute in der Schweiz: rund 1300 Profis und rund 87'700 Milizler und Freiwillige. Das Ziel unseres Verbandes ist es, für Rahmenbedingungen zu sorgen, damit die Feuerwehren und die Feuerwehrleute ihre schwierigen  Aufgaben effizient, sicher und erfolgreich lösen können. Das erreichen wir mit knackiger Aus- und Weiterbildung sowie mit Lobbying im Interesse der Feuerwehren und Öffentlichkeitsarbeit auf allen ­Stufen. Dabei arbeiten wir eng mit dem zweiten ­nationalen Player im Feuerwehrwesen zusammen, mit der Feuerwehrkoordination Schweiz FKS, dem Zusammenschluss der kantonalen Instanzen, die ­für das Feuerwehrwesen als Hoheitsträger verantwortlich sind.