Der Mosimann, der spinnt …

Vor über dreissig Jahren wurde Anton Mosimann als Küchenchef ausgewählt, um die Schweiz an der Expo in Osaka zu repräsentieren. Dabei entdeckte er die japanische Küche. «Die Art und Weise, wie die Japaner kochten, war neu für mich. Sushi war im Westen noch nicht bekannt, und ich war hingerissen von den frischen Zutaten und Kombinationen, die diese Gerichte so dynamisch machten.» Das inspirierte ihn, ähnliche Gerichte zu kreieren, die mit Zutaten zubereitet wurden, wie sie auch in Europa erhältlich waren. Von da bis zur Erfindung der Cuisine Naturelle, dieser leichten, bekömmlichen Küche, die fast ganz ohne Butter, Rahm und Alkohol auskommt, war es nicht mehr weit. Der Maître Chef de Cuisine des Dorchester Hotels, eines der besten 5-Sterne-Hotels Londons, wagte es, die Hauptbestandteile der traditionellen Küche in Frage zu stellen, die bis anhin als Voraussetzung der Gourmetküche galten? «Der Mosimann spinnt, das kann man doch nicht essen!», hiess es denn auch prompt.

Zudem meinten die Kritiker, auf diese Art könne ein Küchenchef in seinem Elfenbeinturm kochen, wo Kosten keine Rolle spielten, aber nicht eine Familie, die nur ein kleines Budget zur Verfügung habe. Darauf erhielt Anton Mosimann von der BBC die Einladung, vor laufender Kamera für eine fünfköpfige Familie ein Menü unter zehn Pfund zu kochen. «Ich war wohl einer der ersten Kochprofis im TV.» Also auch hier eine Vorreiterrolle – sind Kochsendungen am Fernsehen heute doch kaum mehr wegzudenken. Die Sendung war ein Riesenerfolg, 65 000 Anfragen für Rezepte erhielt er nach der Ausstrahlung und zudem die «Glenfiddich Food & Drink»-Auszeichnung.

Ein Fisch ist ein Fisch

In der «Cuisine Naturelle» werden vor allem frische, saisongerechte Zutaten, Gemüse und Kräuter verwendet. Und der Eigengeschmack darf nicht überdeckt werden. «Ein Fisch soll nach Fisch schmecken.» Schlicht und ehrlich, und so wird er denn auch präsentiert. Dabei gilt immer dasselbe Grundprinzip, und es spielt keine Rolle, ob für die Gäste in seinem Clubrestaurant Belfry in London, für Staatsleute, die er in deren Gemächern bekocht, oder für die 2000 Mahlzeiten, die er mit einer Truppe von Köchen an den Olympischen Spielen 2008 in Peking zubereitet hat. Unterschiedlich sind nur die Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen werden müssen. So verlangt das englische Königshaus jeweils ein Testessen, und als George Bush zu Besuch war, kontrollierten FBI-Leute, was da aufgetischt wurde.

Reisen, Kochen, Rallye-Fahren

Wenn Anton Mosimann nicht gerade auf einer seiner kulinarischen Entdeckungsreisen in China, Kambodscha oder Peru ist oder sich auf dem einheimischen Markt inspirieren lässt, steht er gern selbst in der Küche seines Restaurants. Am Morgen bespricht er sich mit seinen Mitarbeitern, am Mittag probiert er die Speisen, und am Abend ist er wenn nötig anwesend. «Schliesslich muss ich ja mit meinem Namen zu dem stehen, was serviert wird. Ich liebe es, zu sehen, wie meine Gäste das Essen geniessen.» Und sie tun es. Sie schätzen seine leichte, bekömmliche Küche, wie er immer wieder beobachtet. Denn sie sind so oft zum Essen eingeladen, dass sie auf ihre Figur und ihre Gesundheit achten müssen. Zudem wird während des Essens viel diskutiert und gearbeitet. Er selbst isst oft im Club, aber er und seine Frau Kathrin mögen auch sehr gern Cervelatsalat oder St. Galler Bratwürste. «Wir nehmen immer welche aus der Schweiz nach London mit.» Trotzdem, Heimweh hat er nicht, lebt er doch schon über dreissig Jahre nicht mehr in der Schweiz. Seit kurzem besitzt er allerdings eine Wohnung am Genfersee und möchte öfter herkommen.

Ob ihm dazu die Faszination für Reisen in fremde Länder und Kulturen genügend Zeit lassen werden? Und dann hat er da noch ein weiteres Hobby, das in dieser Hinsicht nicht zu unterschätzen ist: Er und seine Frau Kathrin nehmen nämlich gelegentlich an Rallyes teil. Erst kürzlich fuhren sie in der Schweiz an einer Oldtimer-Rallye mit, und letzten Sommer starteten sie in Peking an der Borghese Memorial Rallye, die bis Paris führte.