Briefmarkendruck im Visier des ersten eidg. Fabrikinspektors

In einer der ersten Ausgaben der «Marginalie» (1/66) hat der Philatelist und damalige Buchbinderei-Abteilungsleiter Hans Beeler bereits darauf hingewiesen, dass Ende des 19. Jh. in unserem Hause Briefmarken gedruckt worden sind. In unserem Archiv finden sich Verträge zwischen der Stämpfli’schen Buchdruckerei und dem Postdepartement aus den Jahren 1878 und 1881, also kurz nachdem die Firma von der Postgasse ins neue Fabrikgebäude an der Hallerstrasse umgezogen war. Fünf Jahre älter ist ein Vertrag über den Druck von sogenannten Frankobanden, unter denen Zeitschriften versandt wurden.

Vertragsbestimmungen

Ähnlich wie in den Verträgen zum Banknotendruck («Marginalie» 2/10, S. 54) lauten die Bestimmungen, welche die Sicherheit bei der Herstellung gewährleisteten: Das Papier wird von der Postverwaltung geliefert und gegenseitig genau abgezählt. Auch die Druckstöcke, «wenigstens 200 Stempel», bekommt die Druckerei von der gleichen Stelle geliefert, der sie sie nach dem Ende der Arbeiten wieder zurückzugeben hat. Das ganze Prozedere wird von einem Beamten der Post an Ort und Stelle beaufsichtigt, der die Druckmaschine «unter Verschluß» legt, bevor er das Haus verlässt.

Stämpfli beschränkte sich auf die Herstellung der Marken mit niedrigem Wert – für die höheren Werte kam der Tiefdruck zum Zuge. Die Firma wurde für den Druck von je 1000 Marken mit «sieben Centimes» – 1881 waren es zehn – entschädigt und verpflichtete sich, «den Druk in untadelhafter Weise & den besten Erzeugnißen der heutigen Buchdrukerei entsprechend zu erstellen». Fünf Tage nachdem Papier und Stempel eingetroffen sind, wird die Lieferung von «täglich wenigstens 800,000 Marken ununterbrochen bis zu Beendigung der Bestellung», vermutlich 8000 Bogen, erwartet. Diese gelangten an die eidg. Münzstätte, wo sie gummiert, perforiert und geschnitten wurden.

Ein junges Wertzeichen

Briefmarken hatten zu jener Zeit noch keine lange Geschichte. Bis etwa 1840 lag es an den Empfängern, die Briefsendungen zu berappen. Bern war zwar seit 1675 Sitz des international tätigen Postunternehmens Fischer gewesen, gehörte jedoch nicht zu den Herausgebern kantonaler Briefmarken wie Zürich, Genf und Basel. Unter Kennern ist aus jener kurzen Epoche kantonaler Briefmarkenhoheit das legendäre «Basler Dybli» geschätzt.

1849 kam es in der Folge der Gründung des Bundesstaates zur Einrichtung der eidgenössischen Post, die 1850 die ersten schweizweit gültigen Marken herausgab. Fürs Erste gab es fünf Postgebührenzonen, die nach Wegstunden bzw. Kilometern berechnet wurden. Ortspost innerhalb einer Gemeinde kostete 2½ Rappen, Rayon I umfasste 2 Wegstunden oder 9,6 km und erforderte eine 5-Rappen-Marke, währenddem in Rayon IV für 20 Rappen 40 und mehr Wegstunden bzw. über 200 km inbegriffen waren.

Bleihaltige Druckfarben

Mit dem Briefmarkendruck hatte sich der damalige Firmeninhaber, Karl Stämpfli (1844–1894), im Jahre 1888 die Aufmerksamkeit Fridolin Schulers (1832–1903), des ersten eidg. Fabrikinspektors, zugezogen. Schuler war Dorfarzt im glarnerischen Mollis und befasste sich bereits neben seiner Arztpraxis zuerst auf kantonaler und später auf Bundesebene mit Arbeitsmedizin. Ihm war aus Bern gemeldet worden, «es sei ein mit dem Druck von Postmarken beschäftigter Arbeiter unter Erscheinungen erkrankt, welche an eine Metallvergiftung erinnerten», und auch vorher schon sei «eine Arbeiterin der Werthzeichencontrole in verdächtiger Weise erkrankt». Im Auftrage der Oberpostdirektion verschaffte er sich an Ort und Stelle ein genaues Bild von der Fabrikation und der Weiterverarbeitung der Postmarken, gab chemische Untersuchungen in Auftrag und verfasste einen zehnseitigen Bericht, in dem er zum Schluss kommt, dass «eine Schädigung der Gesundheit der Arbeiter durch die zur Herstellung der Frankomarken verwendeten Farben» im Bereich des Möglichen liege, dass die Verwendung giftiger Farben zu untersagen und «die Beobachtung dieser Vorschrift von Zeit zu Zeit durch eine qualitative chemische Untersuchung der Farben zu controliren» sei.

Karl Stämpfli nahm seinerseits zu diesem Bericht Stellung und gab seiner Überraschung Ausdruck, «daß ein solches Resultat zu Tage gefördert werden konnte, nachdem wir doch von Seiten der bezüglichen Fabrikanten die positivsten Zusicherungen bezüglich Giftfreiheit u.s.w. erhalten hatten». Schuler und er sind sich immerhin einig, dass im Hause Stämpfli nach «übereinstimmender Aussage der Arbeiter keine Gesundheitsschädigungen» beobachtet wurden. Vielmehr waren die mit der Weiterverarbeitung betrauten Arbeiterinnen in der Münzstätte davon betroffen, die es offensichtlich mit der Hygiene nicht so genau nahmen, d.h., ihre Finger vor dem Aufgreifen eines Bogens anstatt an einem feuchten Schwamm an der Zunge befeuchteten. Für Stämpfli war deshalb klar, dass nur «die Möglichkeit der Verwendung garantirt giftfreier Farben» übrigbleibt, «um über alle Bedenken weg zu kommen»