Askforce – Fachinstanz für alles
Ohne den Wandel in der Medienbranche würde es dieses Buch nicht geben
22.12.2021
Schämen sich Nacktschnecken? Wer ist der unbekannteste Politiker? Wie tönt eine Rüeblitorte? Gibt es unbefleckte Verhütung? Wie wärmt man «kalte Betten»? Und warum gehen Handschuhe immer im Singular verloren?
Zwanzig Jahre lang wusste die Askforce auf solche, von Leserinnen und Lesern der Berner Tageszeitung «Der Bund» gestellten Fragen immer eine Antwort – unberechenbar, abgedreht, wortgewandt – ja, und manchmal auch leicht grantig.
Die unvergleichliche «Fachinstanz für alles», bestehend aus sieben Kolumnistinnen und Kolumnisten, wurde im Laufe des Jahres 2021 Opfer einer weiteren Konzentration bei den Medien auf dem Platz Bern. Das schier grenzenlose Wissen von sieben unabhängigen Expertinnen und Experten lag plötzlich brach. Und die Fangemeinde, die das Philosophische im Sinnlosen und Banalen liebt, vermisst die tiefgründigen Antworten auf universelle Fragen schmerzlich.
Deshalb gibt es die besten Beiträge dieser ungewöhnlichen Ratgeberkolumne jetzt, nach Themen geordnet, in einem Sammelband. Und vermutlich folgt mehr: Die Askforce verspricht vollmundig, sie wolle bald wieder neue Antworten liefern.
Askforce-Kolumnist und Mitautor Marc Lettau erzählt, wie sowohl das Askforce-Team als auch die Kolumnen sich mit dem Buchprojekt gewandelt haben. Die Askforce-Expertinnen und -Experten, vorher sehr unabhängig voneinander – um nicht zu sagen einzelgängerisch – unterwegs, wuchsen mit der Arbeit am Buch zu einem eingeschworenen Team zusammen. Und als Team mussten sie sich den Anforderungen eines Buchprojekts stellen. Sie haben erfahren, wie schwierig es ist, aus über 1000 Kolumnen die besten auszuwählen. Sie haben akzeptieren müssen, dass selbst perfekte Kolumnen plötzlich ganz aus der Zeit fallen können – und sie wurden davon überrascht, wie einzelne Texte im Wandel der Zeit zu zusätzlichem Glanz kamen, weil sich die Aktualität freundlicherweise dem lange schon Geschriebenen angepasst hat.
Haben Sie Lust auf eine nicht ganz ernste Antwort auf eine weihnächtliche Frage?
Was sind Engel ornithologisch betrachtet?
Jessica K. ist beim Drapieren ihrer Weihnachtsdekoration aufgefallen, dass Engel ganz unterschiedliche Flügel haben. Die Porzellanengel mit barocker Körperfülle und Stummelflügeln sähen «gar nicht besonders flugtauglich» aus. Sie verfüge aber auch über Engelsfiguren mit «weit ausladenden, adlerhaften Schwingen». Jessicas Frage ist deshalb naheliegend: «Was sind Engel ornithologisch betrachtet eigentlich?»
Alle das Himmlische betreffenden Fragen sind natürlich immer äusserst heikel und brisant. Die Askforce wird sich deshalb vorsichtigerweise damit begnügen, die möglichen Einordnungen ganz wertfrei darzulegen: Wird einzig von den gefiederten Extremitäten der Engel ausgegangen, so könnte – wie Jessica selbst andeutete – in gewissen Fällen eine Verwandtschaft mit Greifvögeln in Betracht gezogen werden. Möglicherweise ist es sogar zulässig, eine Unterart der Eingreifvögel zu vermuten: die Schutzengel. Die stummelflügligen und an juveniler Adipositas leidenden Barockengel machen aber deutlich, wie unbefriedigend diese Antwort bleibt. Als gesichert gilt eigentlich nur, dass keine Verwandtschaft zwischen Engeln und Fledermäusen besteht.
Das räumt aber die Zweifel nicht aus, ob Jessicas Frage überhaupt zulässig ist. Denn egal ob pausbäckig, eingreifend oder strafend: Es gibt schier zwingende Indizien, dass sich Engel gar nicht ornithologisch klassifizieren lassen! So lässt sich nämlich nicht ausblenden, dass Engel über mehr Gliedmassen verfügen als Vögel: Flügel (2), Arme (2), Fänge oder Beine (2). Als Hexapoda, also Sechsfüssler, wäre aber eher eine Verwandtschaft mit – beispielsweise – den Bienen anzunehmen.
Nur ist die Angelegenheit leider noch komplexer: In einer Nation, in der die politische Mehrheit ihr christliches Erbgut hervorhebt, wissen ja höchstens die ganz Trotteligen nicht, dass es nebst den zweiflügligen auch sechsflüglige Engel gibt. Sicher wird in manch frommer Stube Jesaja 6, Vers 1 bis 7, zitiert: «Seraphim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füsse und mit zwei flogen sie. Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere.»
2 Beine, 2 Arme, 6 Flügel: Mit Blick auf die Zehngliedrigen – die Decapoden – gewinnen wir immer abgründigere Erkenntnisse: Die Decapoden, die wir am besten kennen, sind die komplett flügellosen Delikatessen namens Languste. Die Askforce zieht es vor, die zoologische Engelskunde an diesem Punkt zu unterbrechen, verbunden mit der dringenden Bitte an Jessica K., mit Engelsgeduld zu überprüfen, warum sie überhaupt eine Antwort auf die Frage nach der ornithologischen Einordnung von Engeln braucht.