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Word in der Buchproduktion
Können Sie sich vorstellen, ein Buch in Word zu produzieren? Zugegeben, das Textverarbeitungsprogramm ist meist nicht das Mittel der Wahl, wenn es um Bücher geht. Und dennoch werden bei Stämpfli die dicksten Bücher und viele andere Drucksachen in Word produziert. Wie kommt das?
20.03.2019
Dass Typografie, professionelles Layout und Word nicht zusammenzupassen, diesen Eindruck erhält wohl jeder Word-User schnell einmal. Wie kommt denn die Medienvorstufe bei Stämpfli trotzdem auf die Idee, die dicksten juristischen Werke im Word zu produzieren? Um das zu verstehen, muss man sich zum einen der Tatsache bewusst sein, dass der durchschnittliche Word-User lediglich einen Bruchteil des Programms wirklich ausnützt. Word kann viel mehr, als die meisten von uns wissen. Zum andern lohnt es, sich die Frage zu stellen, was denn an juristischen Texten so speziell oder anders ist als an anderen Buchinhalten.
Randziffern und Fussnoten
In erster Linie sind juristische Werke, das sind sehr oft Kommentare zu Gesetzestexten und zur Rechtsprechung, sehr textlastig. Weiter fallen jedem Laien, der ein solches Buch zur Hand nimmt, die in der Regel zahlreichen Fussnoten und Randziffern (Abschnittsnummerierungen) auf. Randziffern bei den jeweiligen Absätzen haben den Vorteil, dass Verweise auf Stellen im selben Werk von den Seitenzahlen unabhängig sind. Normalerweise sind die Texte zudem ziemlich starr gegliedert, verfügen über eine komplexe, konsequent eingehalteneTitelhierarchie.
Gerade für solche gliedernden Elemente und automatisierten Verweise eignet sich Word hervorragend. Referenzierungen, Querverweise, Randziffern, Fussnoten, Abbildungsverweise – inmitten solcher Elemente fühlt sich der juristische Autor und Benutzer solcher Texte wohl, zumal sie auch ein gutes Arbeitsinstrument darstellen.
Diese Eigenheiten juristischer Texte sind nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass schon die Gesetzestexte sehr stark konsequent gegliedert sind und nicht einfach irgendwie wiedergegeben werden können. Auch wenn die Sprache der Juristen für Laien meist nicht leicht verständlich ist, zeigt sie sich doch sehr gut strukturiert, geordnet und logisch aufgebaut.
Beim Arbeiten in Word orientieren sich die meisten Anwender am Aussehen ihres Textes am Bildschirm. Für uns aber ist nicht das Aussehen entscheidend, sondern die konsequente Anwendung von Absatz- und Zeichenformaten aus der Formatvorlage, welche die Autoren von uns erhalten zur Erfassung und Strukturierung ihrer Texte. Sie übernehmen die verlangte Titelhierarchie, versehen ihre Texte mit Fussnoten, bauen Literatur- und andere Verweise ein.
Beim Umsetzen in ein gebräuchliches Layoutprogramm müssten diese Elemente weitgehend neu verlinkt und aufgebaut werden; bleibt der Text hingegen im Word, können die bereits vorhandenen Funktionalitäten übernommen und aktualisiert oder bei Bedarf nachformatiert und angepasst werden. Dies spart Zeit, verhindert aufwendige Nachformatierungen und reduziert so die Fehlerquellen massiv.
Bei der üblicherweise grossen Zahl verschiedener Autoren mit unterschiedlichen Arbeitsweisen und Anwenderkenntnissen sowie einer grossen Menge an Dokumenten muss der Layouter ein besonderes Augenmerk auf die Einheitlichkeit richten.
Nach dem ersten Layout und der Korrekturlesung führt der Layouter die Korrekturen aus, oder die Dokumente werden nochmals dem Autor zugestellt. Dazu braucht es keine Umwandlungen, es wird einfach die Worddatei verschickt. Der Autor kann sie öffnen und lesen, unabhängig von unterschiedlichen Programmversionen. Er kann seine Änderungen ausführen und Ergänzungen vornehmen. Somit kann sich der Layouter auf den Umbruch und die Zusammenstellung konzentrieren und mit wenig Aufwand ein neues Druck-PDF exportieren.
Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer überarbeiteten Neuauflage des Werks kommen, etwa wegen Änderungen in den Gesetzestexten oder neuer Gerichtsentscheide, werden den Autoren die finalen Dokumente aus der letzten Druckproduktion zugestellt. Darin können sie die betreffenden Passagen und Kapitel problemlos anpassen, ohne dass deswegen viel zusätzliche Arbeit am Gesamtwerk entsteht.
Ausblick
Natürlich stösst auch Word als Layoutprogramm gelegentlich an seine Grenzen. So arbeitet Word etwa ausschliesslich im RGB-Farbraum, das heisst, zum Druck müssen alle Dokumente mit farbigen Elementen nach CMYK konvertiert und der Text in Graustufen umgewandelt werden. Wird dies nicht korrekt gemacht, kann dies, insbesondere bei Bildern, einen erheblichen Qualitätsverlust zur Folge haben. Da sich in juristischen Werken jedoch ausgesprochen wenige Bilder finden, fällt dieser Nachteil kaum ins Gewicht.
Vorerst ist das gute alte Word-Programm voll im Einsatz und wird den Anforderungen der Produktion von juristischen Büchern voll gerecht. Was aber grundsätzlich – wie heute überall – vermehrt ein Thema ist, das ist die medienunabhängige Aufbereitung von Texten, und da kann weder Word noch ein Layoutprogramm allein die ideale Lösung bieten. Nicht zuletzt darum, aber auch um den Workflow zwischen Autor, Lektor, Layouter und Korrektor zu optimieren, wird beständig nach neuen Lösungen gesucht. Wohin dieser Weg führen wird, ist noch offen. Es bleibt spannend!