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The Medium is the Message – vom Wertverlust der Information

Stand früher die Information selbst im Mittelpunkt, wird es heute immer wichtiger, auf welchem Kanal die Nachricht verbreitet wird. Die Welt der Informationen hat sich stark gewandelt, seit Internet und Suchmaschinen für alle zugänglich sind.

Bibliotheken waren früher der Hort des Wissens, mächtige Menschen hatten grosse Bibliotheken, Staaten rangen darum, die grösste Bibliothek im Lande zu haben, die Bücherwand in Chefbüros war ein Statussymbol. Diese Sätze sind in der Vergangenheitsform – das war einmal. So lange ist das aber noch nicht her: Seit gerade einmal 25 Jahren ist das Internet ein Massenphänomen, und Google ist auch nur 23 Jahre alt. Es ist ein rasanter Wandel in der Informations­industrie, der ganze Branchen umgekrempelt oder ruiniert hat.

In der Bücherwelt sind ganze Sparten verschwunden: Wörterbuchverlage, Landkartenverlage, Telefonbuchverlage usw. waren (zu Beginn meiner aktiven Arbeitszeit) relevante Marktteilnehmer mit Tausenden von Beschäftigten. Sie verkauften wichtige Informationen, die heute (scheinbar) kostenlos im Internet angeboten werden.

In der universitären Welt haben sich die Werte verschoben. Wo früher Karrieren auf Buchveröffentlichungen und persönliche Netzwerke gebaut wurden, zählen heute Zeitschriftenbeiträge und Punkte bei der weltweiten Forschungsplattform Researchgate viel mehr. Wer möchte heute noch die jahrelange Maloche einer Autorenschaft für einen juristischen Kommentar oder ein fundiertes Lehrbuch auf sich nehmen, wenn dies kaum Auswirkungen auf die Karriere hat?

In den Bibliotheken sind neue Ideologien und Services entstanden: Konnte früher eine Bibliothekarin davon ausgehen, dass ein Kunde, der wirklich eine Information sucht, sich körperlich in die Bibliothek bewegt und sich dort vor Ort durch die Bestände arbeitet, so gehen heutige Informationshungrige davon aus, dass der Start einer Suche im Internet erfolgt und sich dort der Informationshunger auch zufriedenstellend stillen lässt. Aus dem altbackenen «Bring the user to the content» wurde das moderne «Bring the content to the user».

In der Welt der Autoren hat sich die Perspektive gewandelt: Musste man früher einen Verlag als Partner für sein Buchprojekt gewinnen, weil der Marktzugang für Einzelkämpferinnen fast unmöglich war, können Autoren heute zwischen verschiedenen Formen des Self-Publishing wählen. Warum sollte ein Autor sein Honorar mit einem Verlag teilen, wo er doch selbst für den Erfolg seines Buchs sorgen kann. Es gibt gute Layoutprogramme für Inhalt und Umschlag, es gibt günstige Druckereien, die auch kleinere Auflagen in guter Qualität drucken, und die selbst gesteuerte Werbung funktioniert heute gut via Instagram und LinkedIn.

In der Welt der Juristinnen und Juristen geht dieser Wandel vielleicht etwas langsamer vonstatten, aber dennoch mächtig und unaufhaltsam. Juristische Kommentare müssen auch digital verfügbar sein (via Swisslex und als E-Book). Studierende erwarten wie selbstverständlich, dass juristische Inhalte für sie kostenlos digital in den Bibliotheken recherchierbar sind. Juristische Bücher müssen auch von den Inhalten her im Internet (für die üblichen Suchmaschinen) auffindbar sein. Dieser Wandel kann nur mit höherem Aufwand in den Verlagen begleitet werden: Die Inhalte müssen für verschiedene Medienformen (zeitgleich) strukturiert und medienübergreifend gelagert werden. Verschiedene Vertriebswege müssen bedient und abgerechnet werden, und im Marketing erreicht man die Zielgruppe auch via Social Media. Und diese höheren Aufwände stehen einem Verfall des Werts der Information gegenüber: Für den Suchbegriff «Kindesunterhalt» spuckt Google 66 Millionen Fundstellen aus. Die Challenge der Zukunft wird sein, die Informationssuchenden zu über­zeugen, dass wir die besten Lösungen für sie bereithalten. Denn wie Marshall McLuhan schon 1967 feststellte: Der Wandel in der Wahrnehmung von Information zeigt sich in den verschiedenen Wegen zum Leser: «The medium is the message».