• Vorwort

Sieben Sinne

Sieben Sinne soll der Mensch besitzen: Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten, Bewegen und schliesslich den Gleichgewichtssinn.

Jede und jeder darf sich glücklich schätzen, wenn die genannten sieben Sinne bei ihr oder ihm vorhanden sind. Allerdings ordnet man üblicherweise nur fünf Sinne dem Menschen zu, und dies seit langer Zeit. Der griechische Gelehrte Aristoteles etwa (4. Jh. v. Chr.) erwähnte sie bereits. Der Volksmund spricht zuweilen von einem sechsten Sinn und meint damit die Fähigkeit, etwas zu fühlen oder zu merken, ohne dass die klassischen Sinne involviert sind. Die moderne Physiologie nennt neun Sinne. Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, zählte gar zwölf Sinne auf, die dem Menschen eigen sein sollen.

Dass man trotzdem von sieben Sinnen spricht, wird seine Ursache in der Magie der Zahl Sieben haben und vielleicht auch darin, dass sich die Lautwiederholung des «Si» gut aussprechen lässt. Wir packen unsere sieben Sachen, die Welt wurde in sieben Tagen erschaffen, die Woche hat sieben Tage, es gibt sieben Weltwunder, sieben freie Künste, sieben Säulen der Weisheit. Die Zahl Sieben gilt als die erste Zahl, die das Geistliche und das Weltliche umspannt, nämlich die himmlische Dreieinigkeit und die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer.

Ein kurzer Blick in unsere Welt zeigt, dass wir froh sein müssen, wenn der Mensch alle seine Sinne beisammenhat. Je weniger Sinne, umso einfacher müsste dies gelingen … Wir sprechen davon, dass wir wachen Sinnes durchs Leben gehen, also achtsam sein sollen auf die Gesamtheit der Eindrücke, die auf uns zukommen. Was aber, wenn ich jemanden nicht riechen kann? Oder wenn ich ein Unglück kommen sehe? Vielleicht schmeckt mir dann mein Schicksal nicht mehr. Oder ich kann das Gejammer darüber nicht mehr hören.

Trotz all diesen Redewendungen: Ich halte es für schade, wenn man sich abkapselt, seine Umgebung nicht oder nur bruchstückhaft wahrnimmt. Ich begegne zu vielen Menschen im Alltag, die mit einem aufgesetzten Kopfhörer unterwegs sind. Nicht immer, aber oft lohnt es sich, anderen gut zuzuhören. Ich finde es sinnvoll, aufmerksam zu sein gegenüber jenen Menschen, mit denen man im Alltag zu tun hat. Gedankenlosigkeit und Nachlässigkeit im Umgang mit Familie, Freunden und Kollegen lassen uns in der Gesellschaft verarmen. Solch ungepflegter Umgang überträgt sich auch auf alle anderen Gruppen von Menschen, die uns weniger gut bekannt sind, denen man aber ebenso umsichtig begegnen sollte.

Von Sinnen zu sein, ist wohl kein Ziel. Wie soll ich meine Umgebung mitgestalten helfen, wenn ich meine Sinne so stark abschotte, dass ich wie schlafwandelnd durch den Tag gehe, ganz und alleine auf mich fokussiert? Der Mensch ist ein geselliges Wesen! Ich weiss schon, es fällt zuweilen schwer, das zu glauben. Jede und jeder kann aber dazu beitragen, dass die Geselligkeit, eine gut gestaltete Umgebung, ein angenehmer Alltag nicht zu kurz kommen. Ob wir dafür fünf, sieben oder zwölf Sinne einsetzen, ist nebensächlich. Wenn ich mit den Sinnen mithelfe, die mir geschenkt sind, leiste ich in der engen Bedeutung des Wortes einen sinnvollen Beitrag an meine Umwelt.