• Editorial

Ich kommuniziere, also bin ich

«Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können.» *

«Der Bundesrat hat das schon gut gemacht, aber die Kommunikation war schlecht …»: Wie oft wird die Wirkung eines Vorgehens rein auf die Art des Kommunizierens abgestellt. Kommunikation sei eine Kunst, man spricht von geborenen Kommunikatoren. Ja, es gibt Menschen, die in unterschiedlichsten Lagen breite Kreise so ansprechen können, dass man ihnen nicht nur zuhört, sondern ihnen auch glaubt. Das kann durchaus positive Wirkung haben. Ich denke etwa an Winston Churchill und seine Art, die Briten in schwierigsten Zeiten zum Durchhalten und zum Widerstand zu bewegen. Gleichzeitig fällt natürlich der negative Gegenpol auf: Hitler und Goebbels im nationalsozialistischen Deutschland stachelten mit ihrer Kommunikation die braunen Massen auf.

Kommunikation braucht mindestens zwei: den Absender und den Zuhörer, allenfalls den Zuschauer oder einen anders Mitwirkenden. Worte und Gestik, Kleidung und Mimik, so manches übermittelt eine Botschaft, gibt ihr die gewünschte Färbung, lässt sie Wirkung haben oder verpuffen. Hören wir überhaupt noch zu? Haben wir allenfalls unsere Meinungen schon gebildet, bevor wir zugehört haben, was jemand zu einem Thema beiträgt? Ist uns das Wort wichtig, ist wichtig, was gesagt wurde, oder muss das Drumherum stimmen?

Sprache ist ein enorm mächtiges Werkzeug. Das gesprochene Wort, das geschriebene Wort: Was für Entwicklungsschritte beim heranwachsenden Kind, wenn es zu reden beginnt, wenn es zu schreiben lernt! Wir müssen genau zuhören. Worte haben Inhalte, diese Inhalte können aufgrund rhetorischer Elemente – Sarkasmus und Zynismus etwa – unterschiedlich verstanden werden. Wir müssen genau zuhören, versuchen, zu verstehen, was gesagt wird und was gemeint ist. Wir müssen dem geborenen Kommunikator genauso zuhören wie dem Stotterer. Der Inhalt ist wichtig, nicht die Verpackung.

Wörter können ihre Bedeutung im Laufe der Zeit ändern. Neutrale Begriffe – wie etwa «Blut» oder «Boden» – erhalten durch Propaganda neue Bedeutungen: Blut und Boden als Wortpaar hat eine eindeutige, in seiner geschichtlichen Dimension verheerende Wirkung erhalten. Darf man noch von Indianern reden? Was bedeutet das Wort Eskimo? Wir müssen nicht nur zuhören, wir dürfen auch nicht aufhören zu hinterfragen, weil wir auch verstehen müssen.

Der deutsche Arzt, Dichter und Essayist Gottfried Benn (1886–1956) hat es in einem Satz auf den Punkt gebracht: «Am Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort.»

Rudolf Stämpfli
Verwaltungsratspräsident
Stämpfli Verlag
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