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Das Rad dreht sich mit der Zeit

Velofahren verändert sich. Im 21. Jahrhundert wird das Rad zunehmend mit einem Elektromotörchen in Schwung gehalten. Das Potenzial des E-Bikes ist beträchtlich, erhebliche Investitionen in die Infrastruktur sind unumgänglich. Andere Nationen haben diese Anpassungen längst vorgenommen.

Radfahren wird hierzulande immer beliebter. Vergangenen Herbst wurde der Bundesbeschluss Velo von Volk und Ständen mit dem selten hohen Ergebnis von 73,6 Prozent angenommen. Das Verdikt spiegelt das Bedürfnis nach Entflechtung und mehr Sicherheit im Strassenverkehr wie im Gelände. Die Initianten, zu denen Swiss Cycling gehört, betrachten den Erdrutschsieg als Start mit Rückenwind.

Oft sind im Zusammenhang mit Schweizer Ballungsräumen die Begriffe Veloland und Velostadt zu vernehmen. Was aus lokaler oder gar nationaler Optik zutreffen mag, relativiert sich im internationalen Vergleich.

Swiss Cycling ist der erfolgreichste olympische Sommersportverband im Land, wird deshalb oft mit Höchstleistungen und Medaillen in Verbindung gebracht. Sein Engagement reicht jedoch weit über den Spitzensport hinaus. Der Ausbildung wird hohe Beachtung geschenkt, das Projekt Swiss Cycling Academies demnächst lanciert. Es handelt sich um ein Modell nach dem Vorbild der Schweizer Skischulen.

Ebenfalls ein grosses Anliegen ist die Vertretung der politischen Interessen aller Velofahrer, E-Bike-Nutzer inklusive. Vor diesem Hintergrund lud Swiss Cycling Anfang Juli zur ersten nationalen E-Bike-Tagung nach Bern – mit dem Ziel, die komplexe, sich zwischen den Extrema Fluch und Segen bewegende Debatte ganzheitlich zu führen.

E-Bikes auf dem Vormarsch

Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamtes für Strassen, sprach über die rasant wachsende Bedeutung der im Vergleich zu konventionellen Rädern schnelleren und auch gefährlicheren E-Bikes im Verkehr und deren Folgen. Es sei unumgänglich, die Infrastruktur dieser Entwicklung anzupassen. Die meisten Velowege müssten breiter werden, weil sie kaum Überholmanöver zuliessen. Zudem gelte es, die Stellen mit kombiniertem Fuss- und Veloverkehr zu reduzieren. Röthlisberger verwies auf den eben erst eröffneten Radweg durch die Schöllenenschlucht und auf ein «Leuchtturmprojekt»: Ihm schwebt vor, den Bau einer rund 20 km langen Veloschnellstrasse zu initiieren.

Wie die Entwicklung im urbanen Raum voranschreiten könnte, lässt sich bei einem Blick nach Dänemark erahnen. Kopenhagen gilt seit 2015 als velofreundlichste Stadt Europas. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Amsterdam und Utrecht, die Schweiz ist in den Top 20 nicht vertreten. 62 Prozent der Einwohner Kopenhagens fahren täglich mit dem Velo zur Arbeit, lediglich 9 Prozent sind mit dem Auto unterwegs. Wobei in einer Umfrage nur 7 Prozent der Radfahrer den Umweltschutz als Grund angaben. In Kopenhagen handelt es sich schlicht um die schnellste Möglichkeit, von A nach B zu kommen. Es gibt spezielle Velobrücken, grüne Wellen für Velofahrer, Lichtsignale, die früher auf Grün schalten als jene für die Autos, und Entflechtung im Kreisverkehr.

Velos im Stadtverkehr

In den grossen Schweizer Städten liegt der Anteil Velofahrer am Verkehr im Durchschnitt bei etwa 10 Prozent – die Differenz zu Kopenhagen (30%) ist beträchtlich. Sie zu reduzieren, wird sich lohnen. In einem Anfang April im «Tages-Anzeiger» erschienenen Bericht lässt ein Beamter verlauten, die gesamte Veloinfrastruktur habe Kopenhagen bisher 320 Millionen Franken gekostet – gleich viel wie eine 3 km lange Umfahrungsstrasse in der Agglomeration.

Veloförderung ist keine Frage des Portemonnaies, sondern eine des Willens – und dieser ist vorhanden, wie der Bundesbeschluss Velo offenbart. Das Rad dreht sich mit der Zeit – nun auch in der Schweiz. Wir freuen uns auf die anstehende Entwicklung.